DVD-Firma aus Riegelsberg Nostalgie ist hier Programm

Riegelsberg · Zu Besuch in Riegelsberg bei dem DVD- und CD-Verlag Pidax — und ein Gespräch darüber, wie das alles funktioniert.

 Edgar Maurer in seinem Riegelsberger Lager, wo um die 100 000 DVDs und CDs gestapelt sind.

Edgar Maurer in seinem Riegelsberger Lager, wo um die 100 000 DVDs und CDs gestapelt sind.

Foto: Tobias Keßler

„Geplant war das ja alles nicht“, sagt Edgar Maurer. Er sitzt in einem Büroraum seiner Firma Pidax in Riegelsberg, über einem Ledersofa hängen Dutzende bunte DVD-Cover; von der Wand grüßen Peter Alexander und Georg Thomalla, Rudi Carrell und Günter Strack, Pierre Brice und Audrey Hepburn.

Nostalgie ist Programm bei der Firma, die vor fast zehn Jahren entstand – aus einer Liebhaberei heraus: Maurer, Jahrgang 1966 und Fan des Fernsehens seiner Kindheit, wollte eine frühe TV-Erinnerung auffrischen: die Serie „Die Grashüpferinsel“. Auf Video oder DVD gab es sie nicht, eine verschollene Perle. Maurer spürte detektivisch die Inhaber der Rechte auf, kaufte sie, ein Bruder im Nostalgie-Geiste im Hessischen restaurierte das Bildmaterial – und fertig war die erste Veröffentlichung der Firma. Geplant war die bestenfalls als Feierabendprojekt mit Hobby-Anmutung, doch dann ist Maurer irgendwann, als sich der Erfolg abzeichnete, „aggressiv rangegangen. Fünf, sechs Jahre haben wir gearbeitet, ohne etwas zu verdienen – Gewinne haben wir sofort wieder reinvestiert“.

Jetzt geht Pidax als DVD- und Hörspielverlag (laut Maurer mit einer Million verkaufter DVDs und 100 000 CDs) auf die 1000. Veröffentlichung zu. Vor ein paar Monaten hat Maurer, von Haus aus Kaufmann, seine Anstellung bei den Stadtwerken in Saarbrücken gekündigt; weniger zu tun sei bei Pidax nicht, „aber es ist eine Arbeit ohne Stechuhrmentalität“. Ein Dutzend Leute zählt das Team, darunter einige in Mini-Jobs und Ehrenamtler, die aus cineastischer Freude die Booklets schreiben.

Im Zentrum des Geschäfts stehen die Lizenzen für die Filme, Serien, Theateraufzeichnungen und Hörspiele. Um die musste Maurer früher kämpfen, mittlerweile kommen die Lizenzgeber zu ihm, aus England, Frankreich, Japan und aus Amerika. US-Lizenzen waren lange unbezahlbar, „aber das hat sich verändert. Die Amerikaner haben lange auf ihrem Material gesessen, sind jetzt aber runter von ihrem hohen Ross. Bis auf Disney.“ Die bisher teuerste Serie  hat Maurer in Japan gekauft: die Gruselreihe „SRI und die unheimlichen Fälle“. Je nach Lizenzkosten ist ein Titel schon bei 300 verkauften Exemplaren in der Gewinnzone, bei anderen erst nach 3000 Manche Veröffentlichungen haben eine jahrelange Vorlaufzeit, erzählt Maurer, „bei anderen ist nach 14 Tagen alles geklärt“ – und manche Projekte stolpern vor der Ziellinie: aktuell der kanadische TV-Klassiker „Die Strandpiraten“, der im ZDF viele Sonntagnachmittage vergoldet hat: Die schwierigen Verhandlungen platzten im letzten Moment, „wir waren sehr enttäuscht.“ Andere Wünsche lässt Maurer lieber gleich in der Schublade: „Rudis Tagesschau“ etwa. „Carrell hat da jede Menge Nachrichten-Ausschnitte eingesetzt – die einzelnen Bildrechte sind gar nicht zu klären.“

Der bisher größte Erfolg der Firma ist die Serie „Die Abenteuer der Familie Robinson“ mit einer fünfstelligen Auflage (die Startauflage bei Pidax liegt bei 1000 Stück). Ladenhüter gibt es auch. „Manche Filme bleiben bei 300 Stück einfach stehen, da geht nichts mehr.“ Die Reste landen in Billigmärkten, denn Lagerplatz ist teuer. Insgesamt fangen Hits die Flops auf, „wir haben mehr Ausreißer nach oben als nach unten.“ Je mehr die Firma veröffentlicht, sagt Maurer, desto breiter verteilt sich das Risiko. „Aber wir spielen immer Bank. Wir müssen alles vorfinanzieren.“ Zum Beispiel die Synchronisierung von Serien, die keine deutsche Sprachfassung mehr besitzen oder noch nie eine hatten: etwa eine „Sherlock Holmes“-Serie (1965-68) mit Peter Cushing, deren deutscher Ton verschollen ist, oder bisher bei uns nicht gezeigte englische Agatha-Christie-Geschichten aus den 90ern (Maurer: „Christie zieht immer“). Den Effekt, dass ein alter Film und eine sterile Neu-Synchro nicht zusammenpassen, kennt Maurer – das Studio, das er beauftragt, arbeitet teilweise mit alten Bandmaschinen, um den Ton mit klanglicher Patina zu überziehen, auch der Wortschatz wird der Entstehungszeit angeglichen.

Wie reagiert die Firma auf die Krise der DVD und die Verlagerung auf Streaming-Dienste? „Im Ausland ist der Markt schwächer geworden“, sagt Maurer, „in England und Italien sogar zusammengebrochen – aber deutsche Kunden wollen sich einen Film ins Regal stellen können, das ist ein Vorteil für uns.“ Dennoch setzt die Firma auch auf das Abspielen im Internet: Noch in diesem Jahr soll bei Amazon ein eigener „Pidax Channel“ installiert werden, mit 100 bis 200 im Abo verfügbaren Filmen. Die muss die Firma hochladen, dabei einige technische Hürden nehmen und das Ganze finanzieren – mit, wie Maurer sagt, ein paar hundert Euro pro Film. Das muss man vorlegen, aber „dann ist ein Film wie eine Kuh, die Milch gibt“.

 Eine DVD der Firma Pidax

Eine DVD der Firma Pidax

Foto: Pidax
 Eine DVD der Firma Pidax

Eine DVD der Firma Pidax

Foto: Pidax
 Eine DVD der Firma Pidax

Eine DVD der Firma Pidax

Foto: Pidax

Zwischen 60 und 70 Prozent des DVD-Handels läuft über Amazon; von Riegelsberg aus verschickt Pidax aber auch selbst, europaweit portofrei. „Das lohnt sich für uns trotzdem, denn Amazon nimmt direkt schon mal 40 Prozent vom Verkaufspreis.“ Durchgeplant ist das Programm bis Juni 2018, vor allem das wichtige Weihnachtsgeschäft. Dass die interessanten Filme einmal ausgehen, fürchtet Mauer nicht. „Wir sind wie Fischer, wir werfen die Netze aus und fangen immer etwas.“

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