Neujahrsempfang der saarländischen Architektenkammer Spielräume sind da, nur keine Spielmacher

Saarbrücken · Beim Neujahrsempfang der saarländischen Architekten am Montag wurde der Dialog von Politik und Architekten großgeschrieben. Doch wurden dabei auch zentrale Probleme benannt.

 Rarität sozialer Wohnungsbau: Wohngebiete wie die Folsterhöhe in Saarbrücken mit Sozialwohnungen sind im Saarland selten geworden – obwohl die Zahl der armutsgefährdeten Menschen gestiegen ist.

Rarität sozialer Wohnungsbau: Wohngebiete wie die Folsterhöhe in Saarbrücken mit Sozialwohnungen sind im Saarland selten geworden – obwohl die Zahl der armutsgefährdeten Menschen gestiegen ist.

Foto: Iris Maria Maurer

Shakehands, Schulterklopfen und viele warme Worte, aber durchaus auch in klaffende Bauwunden gelegte Finger: Der Neujahrsempfang der saarländischen Architektenkammer (AKS) am Montag im Saarbrücker VHS-Gebäude war keine reine Friede-Freude-Eierkuchen-Zusammenkunft. Auch wenn Bauminister Klaus Bouillon (CDU) mit den Worten anhob, es gebe „Grund zur Freude“, weil er „eine Vielzahl guter Nachrichten“ bringe. 1,5 Milliarden Euro stünden saarländischen Kommunen bis 2023 (aus Förderprogrammen von Bund und Land, Krediten, erhöhten Bedarfszuweisungen sowie Steuer-Mehreinnahmen) zur Verfügung –  eine halbe Milliarde mehr als angenommen, so Bouillon: „Wir haben Möglichkeiten wie nie.“ Phantastische Aussichten, die aber einen Haken haben: Die Gefahr ist groß, dass diese Förderkulissen nur zum Teil abgerufen bzw. die gefüllterten Kassen nicht im wünschenswerten Maß für Investitionen genutzt werden.

Denn der jahrelange Investitionsstau in Stadt und Land wurde von einem Personalabbau in den Bauverwaltungen begleitet – Fachleute, die nun in den Bauämtern ebenso fehlen wie in der ministeriellen Fachabteilung. Hängeringend lasse er nach Fachleuten suchen, räumte Bouillon ein. Um zugleich deutlich zu machen, wie schwer es ist, fündig zu werden. Im Nachbarland Rheinland-Pfalz erhielten Bewerber pro Stelle 500 Euro mehr als hierzulande.

Die Baukonjunktur floriert seit Jahren, zugleich herrscht jedoch in den Bauverwaltungen Flaute – ein eklatantes Missverhältnis, auf das zuvor bereits Kammerpräsident Alexander Schwehm abgehoben hatte. Er wies auf ein zweites Grundproblem hin: Da die Vergabe- und Bauverordnungen (auch auf EU-Ebene) immer komplexer würden, sei Bauen personalintensiver denn je. Der ausgedünnte Sachverstand auf Behördenseite bremst daher, so ließ sich Schwehms Weckruf verstehen, gleich doppelt: Bauherrenaufgaben werden verschleppt und Genehmigungsverfahren dauern zu lang. Die (gestern nicht formulierte) Frage, die sich nach Schwehms und Bouillons Ausführungen stellte, lautet: Zeugt das jahrelange Ausdünnen der Bauverwaltungen, das sich nun rächt, nicht von politischer Kurzsichtigkeit? Wurde im Zeichen der Schuldenbremse – nun investitionshemmend – an der falschen Stelle gespart?

Kammerpräsident Schwehm nutzte seine Neujahrsrede zu einer tour d’horizon durch diverse Baustellen seiner Zunft. Schwehm machte klar, dass er auf Dialog mit der Politik setzt. Auf allen Ebenen. Explizit nannte er zwei Felder, in denen der enge Schulterschluss von Verwaltungen und Architekten essentiell sei: zum einen bei öffentlichen Vergabeverfahren, wo aufgrund diverser Novellierungen „enorme Unsicherheit“ herrsche, zum anderen bei Architekturwettbewerben, die von Städten und Gemeinden inzwischen „häufiger nachgefragt“ würden. Schwehm mahnte überdies zwei strukturelle Weichenstellungen an, die auf politischer Ebene zu leisten seien. Seit zwei Jahren fordere die Kammer die Schaffung einer zentralen „Brandschutzstelle“ auf Landesebene, um die durch den brandschutztechnischen Paragraphenwust verunsicherten Unteren Bauabteilungen (UBAs) der Kommunen fachlich zu entlasten. Überfällig sei auch das Einführen digitaler Bauanträge, um Planungsprozesse zu standardisieren, zu beschleunigen und transparenter zu machen.

Bouillon warb für zentrale Vergabestellen in jedem Landkreis, um Sachverstand zu bündeln und Wege durchs Verordnungsdickicht zu bahnen: „Es ist ein Irrsinn, was da in den letzten 30 Jahren an Paragraphen entstanden ist.“ Der Bauminister machte zwei zentrale gesellschaftliche Probleme aus, die einer Lösung bedürften: das Schaffen bezahlbaren Wohnraums und die Integration von Migranten. Mehr soziale Gerechtigkeit sei unabdingbar, meinte Bouillon. „Aber wie soll heute jemand bauen, wenn er nicht mal 2000 Euro netto hat im Monat?“ Der Bau eines Einfamilienhauses aber unter 300 000 Euro kaum machbar sei? Bouillon setzt auf Förderanreize, um den Kauf leerstehender Gebäude attraktiver zu machen (und so Leerstände zu beseitigen). Er kündigte an, bis Sommer entsprechende Förderprogramme (aus Bundesmitteln) aufzulegen. „50 Millionen Euro habe ich dafür auf der Kralle.“ 7000 Euro pro Familie (plus weitere Prämien pro Kind) nannte Bouillon als Hausmarke. Und schob süffisant nach, Nachbarschaftshilfe und Schwarzarbeit täten das ihre bei der Kostenminimierung.

Auch AKS-Präsident Schwehm plädierte für mehr sozialen Wohnungsbau. Er mahnte eine stärkere „Durchmischung unterschiedlicher Gesellschaftsschichten“ an. Sozial Benachteiligte seien „in ihrem Wohnumfeld verstärkt Umweltbelastungen ausgesetzt“, was weitere Abwärtsspiralen in Gang setze und mitunter auch Vandalismus zur Folge habe. Der bestehenden Wohnungsungerechtigkeit entgegenzuwirken, nehme insoweit auch „Druck aus dem Kessel“. Schwehms Resümee diesbezüglich verdient es, zitiert zu werden: „Bezahlbarer Wohnraum muss realisierbar sein durch leistbare Einhaltung von sinnvollen Bau-, Energie- und Brandschutzvorschriften – sowohl für Architekten als auch für Behörden, wenn nicht unser gesamtes Gesellschaftssystem scheitern soll.“

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