Interview mit der Saarbrücker Band Powerwolf „Es raubt einem schon den Schlaf“

Saarbrücken · Falk Maria Schlegel, Musiker der Saarbrücker Band Powerwolf über eine abgebrochene Südamerika-Tournee und die Not einer ganzen Branche durch Corona.

 Die Saarbrücker Band von links und ihre Bühnennamen (den Drummer ausgenommen): der interviewte Keyboarder/Organist Falk Maria Schlegel, Gitarrist Matthew Greywolf, Sänger Attila Dorn, Bassist Charles Greywolf und Schlagzeuger Roel van Helden.

Die Saarbrücker Band von links und ihre Bühnennamen (den Drummer ausgenommen): der interviewte Keyboarder/Organist Falk Maria Schlegel, Gitarrist Matthew Greywolf, Sänger Attila Dorn, Bassist Charles Greywolf und Schlagzeuger Roel van Helden.

Foto: Napalm Records

Sie sind der größte Musik-Export des Saarlandes: Die Heavy-Metal-Band Powerwolf aus Saarbrücken hat einige Nummer-1-Alben veröffentlicht, tourt weltweit und bietet auf der Bühne eine aufwändige Show mit viel Ironie und dem gewitzten Spiel mit den Genre-Klischees. Ihr jüngster Auftritt in der Saarlandhalle im November 2018 war eine grandiose Gaudi. Jetzt hat Corona Tourneepläne und Festivalauftritte begraben. Wir haben mit dem Keyboarder der Band gesprochen, der sich auf der Bühne Falk Maria Schlegel nennt.

Am 3. Juli erscheint ein Best-Of-Album. Bietet sich das gerade jetzt an, da Konzerte zurzeit nicht möglich sind und auch die Arbeit im Studio an neuem Material erschwert ist?

SCHLEGEL  Nein, der Fall liegt hier anders, denn für das Album waren wir ja im Studio. Normalerweise nimmt man für ein „Best Of“-Album alte Hits, pappt noch einen  „Remastered“-Aufkleber drauf, und fertig. Wir wollten es anders machen. Viele der Stücke auf dem Album haben wir ja oft live gespielt, aber eben seit langem nicht mehr im Studio. Die haben  wir nochmal neu eingespielt, mit dem Drive und der Erfahrung, die wir heute haben, nach vielen Jahren auf der Bühne. Alte Stücke komplett neu einzuspielen, gefällt vielleicht nicht jedem Fan – aber es nimmt der alten Version ja nichts, jetzt gibt es von manchen Songs eben zwei Versionen. Da wir uns als eine absolute Liveband verstehen, haben wir noch eine unserer „Wolfsnächte“-Tour mitgeschnitten und mit draufgepackt.

 Powerwolf auf der Bühne wird es erstmal nicht geben.

Powerwolf auf der Bühne wird es erstmal nicht geben.

Foto: Christian Ripkens

Wie knapp vor der Corona-Pandemie haben Sie noch im Studio zusammen gearbeitet?

SCHLEGEL Ziemlich knapp, zwischen den letzten Konzert-Blöcken. Die jüngste  Europa-Tournee hatten wir im Dezember in Bern abgeschlossen, dann waren wir Februar und März in Südamerika auf Tour, die wir dann wegen Corona früher abbrechen mussten – immerhin mussten wir nur drei Shows absagen. Die Tour lief quer durch Südamerika, auf dem Flug von Lima nach Mexiko war uns schon klar, dass wir nicht mehr nach Bogota, El Salvador oder Costa Rica würden fliegen können – da gab es schon Einreisestopps. Das war sehr traurig für uns, weil wir vorher noch nie eine Show abgesagt haben. Von Mexiko aus sind wir dann nach Hause, was gar nicht so einfach war, weil zu dem Zeitpunkt jeder nach Hause wolle. Am 16. März  waren wir dann zurück in Saarbrücken und sehr froh, dass wir das noch geschafft haben.

 Das Best-of-Album "Best of the Blessed".

Das Best-of-Album "Best of the Blessed".

Foto: Napalm Records

Konzerte und geplante Festivalauftritte etwa bei „Rock am Ring“ finden nun nicht statt – was bedeutet das für die Band?

SCHLEGEL Das tut schon mal persönlich weh, einfach weil Live-Spielen unsere Leidenschaft ist. Aber auch sonst ist das ein Rieseneinschnitt. Wenn wir als Band keine Konzerte geben können, fallen wir als Auftraggeber für viele Leute aus. Wir sind auch ein Unternehmen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom Booking über die Plattenfirma  bis zur Pressebetreuung, Lichttechnik, Tourmanagement etcetera – da sitzen wir alle in einem Boot. Und die Situation ist besonders tragisch, weil man ja nicht weiß, wann wirklich ein Ende in Sicht ist. Wenn man wüsste, das dauert nur bis Ende des Jahres, dann könnte man die Zähne zusammenbeißen und warten. Aber so raubt es einem schon den Schlaf. Wir als Band haben aber beschlossen, uns nicht hängen zu lassen. Wir schreiben am neuen Album und machen erstmal so weiter, als ob nichts wäre – die Situation versuchen wir erstmal auszublenden, so gut es geht.

 Ein grandiose Abend: Powerwolf im November 2018 in der Saarbrücker Saarlandhalle.

Ein grandiose Abend: Powerwolf im November 2018 in der Saarbrücker Saarlandhalle.

Foto: Christian Ripkens

Das nächste Saarbrücker Konzert der Band ist für Juli 2021 angesetzt, ein Jahr später als ursprünglich geplant. Wie realistisch ist Mitte 2021 überhaupt?

SCHLEGEL Wir wissen es nicht. Die Veranstalter versuchen jetzt eben, die Festivals und Konzerte 1:1 ins nächste Jahr zu schieben, soweit das möglich ist. Das wird natürlich schwierig und eng für alle, weil alle Bands mit ihren Konzerten ins nächste Jahr hinüberwollen. Sowohl die Veranstalter als auch wir hoffen drauf, dass es nächstes Jahr wieder normal weitergeht – aber die Gewissheit hat eben keiner.

 Powerwolf in der Saarlandhalle 2018.

Powerwolf in der Saarlandhalle 2018.

Foto: Tobias Keßler

Manche Band und manchen Veranstalter wird es 2021 vielleicht nicht mehr geben.

SCHLEGEL Ja, das trifft alle, auch uns – wir haben ja nicht solche Rücklagen wie Volkswagen oder ähnliche Unternehmen. Bands sind davon abhängig, dass sie regelmäßig auftreten – damit verdienen sie ihr Geld. Von dem Gedanken müssen wir uns als Band aber frei machen, weil das die Kreativität lähmen würde. Wir können immerhin ein neues Album schreiben. Da sind wir etwas besser dran als etwa ein Veranstalter, der nur auf Konzerte warten und hoffen kann, vielleicht im Herbst, vielleicht viel später. Da gibt es große Ängste – insofern bin ich ganz froh, dass diese Not jetzt auch in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen wird. Die aktuellen Kampagnen tragen gut dazu bei.

 Powerwolf live.

Powerwolf live.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Haben Politiker und Kulturpolitiker zu zögerlich auf die Nöte von Bands und Veranstaltern reagiert?

SCHLEGEL  Ich glaube, dass viele die zu spät bemerkt haben – oder noch gar nicht wirklich sehen. Viele verstehen unter Kultur ja das, was ohnehin gefördert oder subventioniert wird – Theater etwa, auch wenn ich jetzt nicht das eine gegen das andere ausspielen will.  Aber die freien Veranstaltungen wie Konzerte etwa drohen hinten runterzufallen, weil man denkt, es geht gerade nicht, wir müssen halt darauf verzichten. Nur: Das sind ganze Wirtschaftszweige, die da wegbrechen, da hängen Familien dran, manche haben noch Investitionen gemacht, bevor der Lockdown kam. Das alles wird vielen zu spät bewusst. Und Konzerte, Kultur,  Musik sind ja ein wichtiger sozialer Klebstoff, eine große Verbindung. Die Menschen brauchen das, sie brauchen den kreativen Austausch. Es ist ja mehr, als ein bisschen Musik zu hören und dazu ein Bier zu trinken. Ich hoffe, dass die Politik hilft, dass diese Menschen überleben können, bis es wirklich wieder weitergeht. Da braucht es einen langen Atem.

 Falk Maria Schlegel auf der Bühne.

Falk Maria Schlegel auf der Bühne.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Sie sind Mitglied des saarländischen Poprats, der die Politik zu mehr Engagement aufgefordert hat. Mit Erfolg?

SCHLEGEL Da könnte noch mehr passieren. Viele Maßnahmen greifen einfach nicht für unsere Branche, auch wenn sie auf den ersten Blick gut klingen. Eine befreundete Band von uns, „Heaven Shall Burn“ aus Thüringen, wurde dort in die Staatskanzlei zu einem Gespräch eingeladen, wo sie klarmachen konnte, dass es bei der Unterstützung für Bands und Veranstalter nicht nur um Förderung von Kultur geht, sondern dass da die ganze Eventbranche auf der Kippe steht. Auf ein ähnliches Interesse der Politik hoffe ich letztlich auch hierzulande. Einige Gespräche haben mittlerweile schon stattgefunden, aber da muss noch mehr passieren. Der Poprat setzt sich stark dafür ein, den Dialog zu intensivieren. Grundsätzlich zählt Heavy Metal und dieses Genre zu einer großen Kultur mit einer langen Tradition, zu der wir als Band auch unseren Teil beitragen. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass wir da seitens der Politik nicht wirklich wahrgenommen werden. Es ist eben auch Unterhaltung. Das hat vielleicht weniger Prestige. Aber Unterhaltung ist etwas gesellschaftlich enorm Wichtiges.

Wird die Corona ein Thema auf dem nächsten Album sein?

SCHLEGEL Nein, das versuchen wir rauszuhalten, auch wenn man ja davon beeinflusst wird, was um einen herum passiert. Aber diese Krise werden wir nicht thematisch oder musikalisch behandeln – wir wollen einfach kraftvolle Musik schreiben, das gibt erst uns Energie und dann den Hörern. Das ist gut für alle in dieser Zeit. Nach einem guten Konzert liegt man sich in den Armen – was zurzeit nicht möglich ist. Das vermissen wir sehr. Aber wir bleiben positiv und hoffen darauf, dass alles nochmal anders wird – und wir wissen, dass die Leute die Sehnsucht nach alldem nicht verloren haben.

Das Album „Best of the Blessed“ erscheint am 3. Juli bei Napalm Records.
Info: www.powerwolf.net

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