Mainzer „unterhaus“ Was tun, wenn das Wort „Kleinkunst“ vergessen wird?

Mainz · Mehr Comedy, mehr Marketing, mehr Nachwuchs: Was der neue Mainzer „unterhaus“-Chef Stephan Denzer für die renommierte Kabarettbühne plant.

     Stephan Denzer (51), der neue Geschäftsführer des Mainzer „unterhaus“.

Stephan Denzer (51), der neue Geschäftsführer des Mainzer „unterhaus“.

Foto: dpa/Peter Zschunke

Eine der letzten Amtshandlungen von Stephan Denzer als Teamleiter der Kabarett- und Comedy-Sendungen beim ZDF war die Bestellung von Geschenken für die Mitarbeiter der „heute show“. Zum zehnjährigen Bestehen der Sendung bekamen alle eine Trinkflasche mit den schlimmsten Journalisten-Kritiken überreicht. Aller Kritik zum Trotz genießen die „heute show“, aber auch die „Anstalt“ oder Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“, für die der 51-jährige Pfälzer bislang verantwortlich war, gerade bei jüngeren Zuschauern vielfach Kultstatus. Nun hat Denzer den Mainzer Sender verlassen. Seit dem 1. Juli leitet er stattdessen das renommierte Mainzer Kleinkunsttheater „unterhaus“.

Als Denzer vor die Presse tritt, um seine Zukunftspläne für das Haus vorzustellen, macht er deutlich: So ähnlich wie zuvor beim ZDF will er auch das Programm der in die Jahre gekommenen Kabarettbühne aufmischen. „Bist Du wahnsinnig, warum machst Du das?“ hätten ihn Kollegen beim ZDF gefragt: „Und dann habe ich gesagt: ‚Ja, ich bin wahnsinnig.‘“ Aber er habe sich eben nicht auf dem Erfolg der preisgekrönten ZDF-Programme ausruhen und zehn Jahre lang „vom Gipfel“ aus eine schöne Aussicht genießen wollen. „Ich gehöre zu den Menschen, die gern runter ins Tal gehen, um einen neuen Gipfel zu besteigen.“

Das 1966 eröffnete „unterhaus“ kennt Denzer aus einer anderen Perspektive. Bis vor zehn Jahren stand er dort als Stand-up-Comedian auf der Bühne. „Ich bin da reingekommen und habe gedacht: Wie geil ist das denn?“ Die Verantwortlichen hätten ihm damals als Newcomer aus der Region eine Chance gegeben. Dass er selbst Mainzer ist, habe ihnen ausgereicht.

Heute hat Denzer weitreichende Pläne für das Theater, in dem die Vorstellungen traditionell in einem von zwei Gewölbekellern stattfinden und wie eh und je mit einer von Hanns Dieter Hüsch persönlich im Foyer aufgehängten Glocke eingeläutet werden. Mehr Comedy kündigt der neue Geschäftsführer an, wobei das politische Kabarett auch in Zukunft das „Rückgrat“ des Programms bilden solle. Auch über eine Kreativgruppe für Nachwuchskünstler denkt er nach, über besseres Marketing mit Ticketverkauf in den angesagten Studentenkneipen – und über ein eigenes festes Ensemble, obwohl in den Sternen steht, ob das Theater sich so etwas leisten kann.

Veränderungen beim Deutschen Kleinkunstpreis, der jährlich im „unterhaus“ verliehen wird, sind kein Tabu. Denn viele junge Leute könnten sich schon unter dem Begriff „Kleinkunst“ nichts mehr vorstellen. Publikum und Förderer bittet Denzer um Zeit dafür, seine Pläne anzugehen. Auch die „heute show“ habe anfangs längst nicht alle Erwartungen erfüllt. „Wir saßen in den ersten Jahren jeden Samstagmorgen da und haben uns die Augen ausgeheult. Kein Schwein wollte uns sehen.“ Letztlich habe sich die Geduld – auch die seiner Vorgesetzten auf dem Mainzer Lerchenberg – ausgezahlt. 2014 kürte ihn das Branchenmagazin DWDL zu einem der „Hoffnungsträger“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil er den Satirikern gegenüber Gremien und Politik den Rücken freihalte.

Wichtig ist dem früheren ZDF-Mann die Haltung: „Ein guter Kabarettist steht auf der Bühne, weil er die Welt verbessern will.“ Diese Einstellung sei wichtiger denn je in Zeiten, in denen Erregung und Hass sich so stark ausgebreitet hätten. Das „unterhaus“ solle zu einem Ort werden, an dem „man dem Hass mit Humor begegnet“. Anfeindungen hätten ihm auch auf seiner Position beim ZDF immer wieder zu schaffen gemacht. Er habe einen Weg gefunden, damit umzugehen und mache viermal in der Woche Yoga: „Man muss ein dickes Fell entwickeln. Nichts polarisiert so viel wie Humor.“

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