Muss man als Chef eigentlich immer seine Sekretärin heiraten?

Denver/Saarbrücken · Spielt der Sommer mal wieder Herbst, kann man sich wenigstens vor dem Fernseher eine gute Zeit machen. In der kleinen Reihe „Zurückgespult“ schauen SZ-Redakteure nochmal auf Kult-Serien der 60er-, 70er- und 80er-Jahre, die oft prägender waren als einem heute manchmal lieb ist. In Teil zwei fragt sich Oliver Schwambach, was Blake Carrington eigentlich an Krystle fand?

So Anfang, Mitte der 80er galt es für jüngere Menschen drei Gewissensfragen zu klären. Nummer eins: Popper oder Punker? Frage zwei: Cool bleiben, Bundeswehr-Parka mit Peace-Button tragen oder doch in die Schüler-Union eintreten, Helmut Kohl gut finden (müssen), aber so vielleicht das Herz von Chefarzttöchterchen Anja erobern? Und schließlich Nummer drei: "Dallas" oder "Denver-Clan"?

Selten war TV-Deutschland so gespalten wie damals, als die Irrungen und Wirrungen von gleich zwei US-Öl-Millionärsfamilien bedeutender wurden als deutsche Innenpolitik, Pershing-II-Stationierung und Jupp Derwalls stets grundfalsche Aufstellungen beim Länderspiel. Man litt und bangte mit den Ewings auf der Southfork-Ranch - oder eben den Carringtons/Colbys aus Denver. Die reichlich rustikalen Texaner um Grinsefinsterling J.R., den Frauenversteher Bobby und seine sanfte Pam fanden ihre Fans damals, wenn ich mich recht erinnere, bei Freunden aus Urexweiler und Gresaubach; man fühlte sich wohl ländlich verbunden. Uns anderen, die nahe der Mega-Großstadt Saarbrücken wohnten, waren die mondäne Silbertolle Blake Carrington und seine extrem paarungsfreudige Zweitgeborene Fallon näher.

Wobei John Forsysthe gleich zweifach zu bedauern war. Wirkte der einstige Hitchcock-Mime inmitten des seichten Soap-Ensembles doch fremd wie ein Burgschauspieler im Quatsch-Comedy-Club. Überdies hatten ihm die Drehbuchautoren die hysterisch-platinblonde Krystle auf den Hals geschrieben ("Bläääääke"): Muss man als Chef eigentlich zwangsläufig seine Sekretärin heiraten? Dabei hatte seine Ex Alexis (Joan Collins) entschieden mehr Feuer und war im Intrigen-Wettstreit mit "Dallas"-Konkurrent J.R. klar Sieger um die Krone der Superfieslinge. Ums Geschäft kümmerten sich die Carringtons ergo bloß am Rande, dafür umso mehr darum, sich gegenseitig die Hölle im Diesseits anzuheizen. Hätte man mal im Lateinunterricht besser aufgepasst, hätte man ahnen können, dass die beiden Autoren Richard und Esther Shapiro ihre 218 Folgen "Dynasty" (Original-Titel) quasi aus der Geschichte gehoben hatten: bei den Juliern des alten Rom - inklusive Caesar.

Die Klasse von "Denver-Clan" bestand auch darin, dass die Serie die große Welt der Superreichen so richtig telegen machte - mit all den Sehnsuchtsprojektionen für jedermann. Auch wenn heute die Stretchlimos à la Blake nur noch als Partymobil für Junggesellinnenabschiede taugen.

"Denver-Clan" - von 1981 bis 1989 gedreht - war auch ein bestechender Spiegel eines Jahrzehnts. Dass der einstige Frauenschwarm Rock Hudson schon aids-krank im "Denver-Clan" seinen letzten Auftritt hatte und Carrington-Sohn Steven sein Comingout, hat vielleicht mehr für die breite Akzeptanz von Homosexuellen bewirkt als mancher Protestmarsch; TV-Unterhaltung kann im besten Sinne als gesellschaftlicher Katalysator wirken. Leider fielen mit Fortschreiten der Serie nicht nur Figuren ins Koma, auch die Autoren verloren den Überblick übers Personal, verhedderten sich in den Erzählsträngen. 1989 war dann Schluss. Spätestens dann hing ja auch der Bundeswehr-Parka mit dem Peace-Button im Altkleider-Schrank. Und Chefarzttöchterchen Anja war sowieso doof.

"Denver-Clan" gibt es als DVD-Komplettset für 92,95 Euro.

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