Mörder in der Trümmerlandschaft

Bestseller-Autorin Mechtild Borrmann will mit ihren Krimis immer auch Zeitgeschichte erzählen. Morgen stellt die Trägerin des Deutschen Krimi-Preises von 2012 ihr neuestes Werk „Trümmerkind“ in Saarbrücken vor. Der NDR wählte es zum Buch des Monats November. SZ-Mitarbeiterin Silvia Buss sprach vorab mit Borrmann.

In "Trümmerkind" führen Sie den Leser von der Jetzt-Zeit in die unmittelbare Nachkriegszeit zurück und schildern die Geschichten zweier Familien, die durch ein dunkles Geheimnis verknüpft sind. Wie kamen sie auf ihr Thema?

Borrmann: Ich habe für einen Anthologie-Beitrag nach Material gesucht. Wir sollten dafür einen unaufgeklärten Kriminalfall aufgreifen, ihn in einer Kurzgeschichte erzählen und den Fall dabei auflösen. Dabei bin ich auf die sogenannten Trümmermorde in Hamburg gestoßen. In den Trümmern hatte man im Januar und Februar 1947 vier Tote gefunden. Sie waren alle nackt und erdrosselt. Man hat sie nie identifiziert und das hat mich einfach angerührt. Die Grundidee war, diesen Toten eine Geschichte zu geben. Das war der Auslöser für das Buch.

Auch Ihre anderen Krimis hatten immer einen zeitgeschichtlichen Kontext, sei es der Zweite Weltkrieg, der Gulag oder Tschernobyl. Woher kommt ihr großes Interesse an Geschichte?

Borrmann: Das liegt daran, dass ich fest davon überzeugt bin, dass Geschichte Auswirkungen hat bis in unser heutiges Leben. Denken sie an die Menschen, die man bei Tschernobyl aus dem Sperrgebiet umgesiedelt hat, da kann man die massiven Auswirkungen ganz einfach sehen. Genau so wie man inzwischen untersucht hat, dass die Kriegsgeschichte und das lange Schweigen danach sich bis heute auswirkt in den Familien, auf Kinder und Enkelkinder. Es gibt eine direkte Verbindung und die möchte ich in meinen Büchern immer deutlich machen.

Was auffällt: Sie schildern den Alltag der Trümmerfrauen und -kinder in Hamburg, die Vertreibung der Gutsbesitzerfamilie aus der Uckermark so detailreich und plastisch, als wären sie dabei gewesen. Wie haben Sie recherchiert?

Borrmann: Ich brauche ungefähr zwei Jahre für ein Buch und rund ein Jahr geht für Recherche drauf. Zum einen habe ich die gesamte Polizeiakte zu diesen Mordfällen gelesen, die konnte man im Staatsarchiv in Hamburg einsehen. Was aber noch wichtiger ist: Ich fahre zu den Orten und rede mit vielen Zeitzeugen. Das ist für mich Grundbedingung. Was ich dann schildere an Begebenheiten, das ist meistens authentisch, so wie die Hamburger Feuersturmnacht, das ist mir so erzählt worden. Da muss man dann in aller Regel auch nichts dazu erfinden.

Sie haben in vielen Berufen gearbeitet, als Erzieherin, Heilpädagogin, Drogenberaterin, Tanz- und Theaterpädagogin, Gestalttherapeutin. Wie kamen Sie zum Schreiben? War das schon klein auf eine Passion?

Borrmann: Nein. Das hätte ich auch nie gedacht, dass ich das mal mache. Irgendwann wollte ich aus diesem sozialen Bereich raus und bin für eineinhalb Jahre nach Korsika gegangen, um meine Ruhe zu haben. Es war sehr ruhig und da habe ich dann angefangen, zu schreiben. Wieder zurück in Deutschland, habe ich mit einigen Kurzgeschichten an Wettbewerben teilgenommen und Preise gewonnen. Da habe ich mich dann an den ersten Roman gewagt. Mit dem Deutschen Krimipreis wurde es schließlich ernst, ich musste mich entscheiden. Seit 2012 lebe ich vom Schreiben.

Lesung morgen, 19.30 Uhr, in der Buchhandlung Bock & Seip, Saarbrücken, Futterstraße 2. Eintritt 10 Euro, Anmeldung: Tel. (06 81) 30 67 740. E-Mail: city.sb@bock-seip.de

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