Mit Quecksilber die Welt umwandeln

Berlin · Alchemie ist „Die große Kunst“, das zeigt eine Ausstellung in Berlin. Sie führt ihre Besucher in ein betörendes Schöpfungslabor der Welt.

 Quecksilberquelle aus dem Samen Shivas, Guler (Pahari), Deckfarbenminiatur, um 1770 (Ausschnitt). Foto: © Sammlung L. Habighorst, Koblenz

Quecksilberquelle aus dem Samen Shivas, Guler (Pahari), Deckfarbenminiatur, um 1770 (Ausschnitt). Foto: © Sammlung L. Habighorst, Koblenz

Foto: © Sammlung L. Habighorst, Koblenz

Gibt es Gott? Das ist eine uralte Menschheitsfrage. Wie die Theologen haben auch die Alchemisten darauf keine endgültige Antwort. Sie versuchen aber, Gott auf die Schliche zu kommen, legen sich sogar mit ihm an - indem sie sich handwerklich mit den Materialien des Planeten beschäftigen. Das beweisen 230 Objekte aus rund 3500 Jahren, die im Berliner Kulturforum zu besichtigen sind.

Die Alchemie verstand sich von Anfang an als handwerklich-künstlerisches Schöpfungswerk. Der Begriff ist vom griechischen chemeía (Metallgießen) abgeleitet. Der Ursprung der Alchemie liegt in Ägypten und dem Babylonischen Reich, nach Europa kam sie im 12. Jahrhundert. Der mittelalterliche Philosoph Albertus Magnus nannte sie "Ars Magna", "die große Kunst". Kurator Jörg Völlnagel hat mit dem Experten David Brafman vom Getty Research Institute in Los Angeles die Ausstellung konzipiert. Sie will die belächelte Alchemie - das Experimentieren mit Schmiedekunst und Metallurgie in Babylonien, die Nachahmung von Edelsteinen oder das Färberhandwerk des Alten Ägyptens - als beachtliche Wissenstradition rehabilitieren. Alchemie hat nichts mit Schamanismus und anderen Formen der Magie zu tun. Sie imitiert auch nicht nur die Natur, sondern will sie letztlich kreativ übertreffen und damit zur Kunst steigern. Im Mittelalter entwickelte sie eine eigene Bildsprache, die sich in der Berliner Schau mit Fabelwesen aus dem Tierreich präsentiert, mit Bilderhandschriften und mit Hermes, dem beweglichsten unter den Göttern. Die alchemistische Tradition verbindet ihn mit dem quecksilbrigen Metall.

Der Urvater der Alchemie steht für die Umwandlung von Materie, die zum Beispiel - ein uralter Menschheitstraum - aus Eisen Gold macht. Alles kann zu allem werden, wird es richtig gemacht - eine in der Antike weitverbreitete Überzeugung. Deshalb wurde Glas gefärbt, bis es aussah wie Edelstein. Schein sollte Sein darstellen. In Berlin ist eine spätantike Halskette aus Russland zu sehen, die aus echtem Gold mit falschem Lapislazuli vermengt wurde und täuschend goldecht aussieht.

Quecksilber und Schwefel aus den Tiefen der Erde gelten als lebensspendende chemische Stoffe. Die Schöpfer im Labor wollten stets an diese Lebensquelle heran, dabei entstanden unbeabsichtigt Nebenprodukte wie Porzellan oder Phosphor. So wurde auch die "chymische Hochzeit" von Sonne und Mond dargestellt, die in der Gestalt von Menschen kopulieren. Sex wird als fruchtbare Durchdringung von Materien in zünftiger Missionarsstellung vorgeführt. Naturwissenschaftliche Experimente und künstlerische Fantasie gingen ineinander über in der Alchemie, ein bisschen Spaß und Hokuspokus sollte auch dabei sein.

Bis 23. Juli. Di-So: 11-18, Do: 11-20 Uhr.

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