Mit Knete und Herzblut

Frankfurt · „Wallace & Gromit“, „Shaun das Schaf“ – ohne das britische Animationsstudio Aardman wäre die Welt des Trickfilms um einige herrliche Figuren ärmer. Wie die Animateure ihre preisgekrönten Filme und TV-Serien drehen, das zeigt jetzt eine gelungene Ausstellung im Filmmuseum in Frankfurt. Sie ist für Erwachsene und Kinder wohl gleichermaßen interessant.

 Das Wohnzimmer von Erfinder Wallace und Hund Gromit, der gerade mit dem Staubsauger ringt, ist ein Kleinod liebevollen Modellbaus. Fotos: Aardman Animations Limited

Das Wohnzimmer von Erfinder Wallace und Hund Gromit, der gerade mit dem Staubsauger ringt, ist ein Kleinod liebevollen Modellbaus. Fotos: Aardman Animations Limited

Im letzten Raum der Ausstellung, in dem Filmszenen über eine Leinwand flimmern, da wirkt die Schau etwas halbherzig. Neben den Klassikern des Aardman-Studios wie den Filmen mit "Wallace & Gromit" und dem Schaf namens Shaun laufen auch Szenen aus "Flutsch und weg" von 2006: In dem ließ das Animationsstudio die handgemachten Knetpuppentricks hinter sich und setzte auf sozusagen körperlose Computer-Animation. Da hätte man gerne mehr erfahren über die Arbeitsweise, den Umbruch vom Organischen zum Digitalen, der den alten Aardman-Charme leider ein wenig vermissen ließ.

Doch die Ausstellung "Die Kunst von Aardman" im Frankfurter Filmmuseum konzentriert sich ganz auf das, was aus einem kleinen Hinterhofstudio in Bristol, das in den 70er Jahren erste Knetfiguren-Animationen fürs britische Kinderfernsehen in Bewegung brachte, ein Studio von Weltruf gemacht hat: liebevoll gestaltete Figuren, die in hochdetaillierten Miniaturkulissen originelle Abenteuer erleben, erzählt in der Technik des Einzelbildtricks, der "Stop Motion Animation". Knet- oder Gummifiguren werden in verschiedenen Bewegungsphasen fotografiert, die Einzelbilder dann zusammengefügt - das Ergebnis ist die filmische Illusion einer fließenden Bewegung, dank 24 verschiedener Motive pro Filmsekunde. Mit dieser Technik erklomm etwa der selige "King Kong" 1933 das Empire State Building, und Animations-Legende Ray Harryhausen trickste in Filmen wie "Jason und die Argonauten" allerlei Sagengetier. Heute setzen Filme fast ausschließlich auf Computer-Animation - so gesehen sind die Aardman-Künstler mit die letzten wackeren Helden, die sich einem Trend entgegenstemmen. Wie sie das tun, das zeigt die Schau eindrucksvoll und vergnüglich mit 123 Bildern, 20 Figuren und 20 Sets.

Der erste Raum ist "Von der Idee zur Zeichnung" überschrieben und zeigt grobe Skizzen und Gedankenspiele - etwa frühe Entwürfe des Hundes Gromit, der später auf der Leinwand dann doch ganz anders aussah. Auch erste Pläne des Raumschiffs, mit denen Hund und Erfinder im Film "Alles Käse" (1989) zum Mond reisen, ist zu sehen - komplettiert vom fertigen Modell, wie es bei den Dreharbeiten gefilmt wurde. Wie aus Zeichnungen dann die Figuren entstehen, die bildweise aufgenommen werden, zeigt der zweite Raum. Eine Werkbank aus dem Studio ist zu sehen, übersät mit Pinseln, Skalpellen, Lupen, Farbflecken, sogar gebrauchten Teetassen, künstlichen Augäpfeln für die Figuren und den Gussformen, in denen die Charaktere entstehen: Hergestellt werden sie aus einer "Aardmix"-Modelliermasse (die Zutaten sind geheim). Ihr Innenleben ist ein stählernes Skelett, damit sie bei den Aufnahmen in der jeweiligen Pose verharren.

Blickfang sind die Dekorationen und die Modelle. Mit ihren Macken und Gebrauchsspuren sind etwa ein Lieferwagen und ein Gabelstapler kleine Triumphe der Modellbaukunst, ebenso wie die Miniaturkulissen: Das Wohnzimmer etwa von Wallace und Gromit mit seiner bunten Tapete, den leicht vergilbten Gardinen und gemusterten Sofa ist höchste Handwerkskunst im Kleinformat - ebenso wie die Eingangshalle von Lady Tottingtons Anwesen aus "Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen". Da kann man schier endlos Details betrachten und bewundern. Die Aardman-Filme wird man nach dem Besuch der Ausstellung wohl noch besser finden als zuvor - jetzt da man weiß, mit wie viel Herzblut und Handwerkskunst sie entstehen.

Bis 30. Oktober. Di 10 bis 18 Uhr, Mi 10 bis 20 Uhr, Do bis So 10 bis 18 Uhr.

Zum Thema:

 Ein Entwurf der Rakete, mit der Wallace und Gromit 1989 in „Alles Käse“ auf den Mond reisten.

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 Eine frühe Charakterstudie von Shaun, dem findigen Schaf.

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Hintergrund Als Hinterhoffirma begann Aardman Animations in den 70ern Jahre in Bristol. Bis heute hat die Firma vier Oscars und viele Preise gewonnen, für Videoclips wie Peter Gabriels "Sledgehammer" und Spielfilme wie "Chicken Run - Hennen rennen", "Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen" und "Shaun das Schaf". Anfang 2018 startet der Einzelbild-Trickfilm "Early man" über Urzeitmenschen. red

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