Kino Ein bayrisch-asiatischer Geisterreigen

Berlin · Dass sich Doris Dörrie auf fernöstlich-westliche Filmbegegnungen versteht, hat sie längst bewiesen. Nun gibt es in „Kirschblüten & Dämonen“ ein Wiedersehen mit mancher Figur aus ihrem legendären Film „Kirschblüten – Hanami“.

 Geisterstunde: Rudi (Elmar Wepper, r.) und Trudi (Hannerlore Elsner) tauchen in „Kirschblüten & Dämonen“ nur noch als Geister auf, die ihren Sohn Karl (Golo Euler) einfach nicht loslassen. Der neue Dörrie-Film spinnt so die Geschichte aus „Kirschblüten - Hanami“, der vor elf Jahren in die Kinos kam, nun in der nächsten Generation weiter.

Geisterstunde: Rudi (Elmar Wepper, r.) und Trudi (Hannerlore Elsner) tauchen in „Kirschblüten & Dämonen“ nur noch als Geister auf, die ihren Sohn Karl (Golo Euler) einfach nicht loslassen. Der neue Dörrie-Film spinnt so die Geschichte aus „Kirschblüten - Hanami“, der vor elf Jahren in die Kinos kam, nun in der nächsten Generation weiter.

Foto: Constantin Film Verleih/Mathias Bothor

Elf Jahre ist es her, dass ein Film in die Kinos gelangte, der zu einem der größten Erfolge der deutschen Regisseurin Doris Dörrie werden sollte: „Kirschblüten – Hanami“, besetzt mit Hannelore Elsner, Elmar Wepper und Birgit Minichmayr. Der so melancholische wie amüsante Film erzählt von Rudi, der nach dem plötzlichen Tod seiner Frau Trudi nach Japan reist. In einer ganz ähnlichen Tonlage schildert Dörrie nun, wie es im Leben der Kinder nach dem Tod beider Eltern weitergeht, rund zehn Jahre sind im Film vergangen. Sowohl Elsner als auch Wepper sind in dieser Forterzählung zu sehen, wenn auch als Geister, respektive Dämonen. Gedreht wurde sowohl im Allgäu als auch in Japan.

Karl, das „Problemkind“ von Rudi und Trudi, lebt allein in München. Nur ab und zu darf er seine kleine Tochter sehen; auch seinen Job hat Karl verloren. Vom Alkohol abgesehen hat er nichts mehr, was ihm Halt gibt. Da steht plötzlich eine Japanerin vor seiner Tür: „Ich bin Yu!“. Tatsächlich ist es die Yu, die sich einst in Japan um Karls Vater, um Rudi, gekümmert hatte, ihm half, den Fuji zu finden, und die bei ihm war als er starb. Yu möchte gern Rudis Grab sehen, sich noch mal verabschieden. Und so machen sich Karl und Yu schließlich auf zu dem alten, leerstehenden Bauernhaus im Allgäu, das Rudi und Trudi und ihren Kindern einst ein Zuhause war.

 Das alte Geschirr ist noch da, der ungeliebte Teller, von dem Karl als Kind essen musste. Doch damit nicht genug: Sukzessive kommen sie alle hervorgekrochen, die unliebsamen Erinnerungen, die Geister der Vergangenheit, die Karl doch am liebsten für immer und ewig beerdigen würde.

Der neue „Kirschblüten“-Film ist eine bayrisch-asiatische Geistergeschichte, in der es zwar fast ständig um den Tod geht, die aber nie schwer daherkommt. Dafür sorgt schon die stets stimmige Vermischung von Hochdeutsch, Japanisch, Bayrisch und Englisch. Behände wechseln die Protagonisten zwischen den Dialekten und Sprachen. Selbst die musikalische Flankierung gerät zu einer japanisch-deutschen Melange: asiatische Leichtigkeit in einem, europäische Schwere im nächsten Moment. Selten hat man zuletzt im Kino ernste Themen derart leicht verhandelt gesehen; für Yu etwa (erneut wunderbar: Aya Irizuki) ist es völlig selbstverständlich, dass wir alle ständig von Dämonen umgeben sind. Einmal ruft Yu in einen Brunnen hinein: „Da unten sind die Toten!“. Woraufhin Karl – ganz der nüchterne Deutsche – halb im Dialekt erwidert: „In Japan vielleicht, aber nett hier!“.

Doris Dörrie scheint fasziniert davon, auf welch’ unterschiedliche Art verschiedene Kulturen ihre Toten erinnern. Man denke da nur an die eindringlichen Friedhofsszenen in ihrer Mexiko-Dokumentation „Dieses schöne Scheißleben“ (2014). Ganz leicht indes dürfte es dieser Film an den Kinokassen nicht haben. Fans des ersten „Kirschblüten“-Films von vor elf Jahren werden sich zwar sicherlich über die erneute Begegnung mit den bekannten Figuren freuen. Allen anderen aber macht es „Kirschblüten & Dämonen“ nicht unbedingt einfach. Es gibt einiges, was sich nur im Rückblick auf den Erstling erschließt. Vieles, was Doris Dörrie einfach nur andeutet.

Zuweilen mutet der Film mit seiner, den Protagonisten recht aufdringlich zu Leibe rückenden Handkamera wie ein Experiment an. Teils überfrachtet Dörrie ihn auch ein wenig – etwa mit Seitenhieben auf die Partei AfD. Vieles bleibt Fragment in dieser collageartigen Fortsetzung – ein Epilog jedoch, der im Kontext von Dörries’ Gesamtwerk viel Sinn macht.

Immerhin greift der Film auf höchst poetische, teils versponnene, teils ergreifende Art Themen auf, die leitmotivisch fast das komplette filmische Schaffen der gebürtigen Hannoveranerin (Jahrgang 1955) prägen: die Beschäftigung mit Familie, mit der Liebe, die Auseinandersetzung mit Tod und Vergänglichkeit. Nicht zuletzt: die Beschäftigung mit Japan. Bereits Mitte der 1980er hatte Dörrie einen ihrer ersten Spielfilme, „Mitten ins Herz“, bei einem Festival in Japan präsentiert. Wohl keinem anderen deutschen Filmemacher wäre denn auch eine ähnlich gelungene Verschmelzung von Kulturen zuzutrauen, wie sie nun auch hier zu bestaunen ist. Bei „Kirschblüten & Dämonen“ jedenfalls handelt es sich ganz eindeutig und völlig unverkennbar um einen Film von Doris Dörrie.

 Doris Dörrie will mit „Kirschblüten & Dämonen“ an alte Erfolge anknüpfen.

Doris Dörrie will mit „Kirschblüten & Dämonen“ an alte Erfolge anknüpfen.

Foto: dpa/Tobias Hase

Ab morgen im Saarbrücker Filmhaus.
Kritiken zu allen in dieser Woche neu anlaufenden Filmen morgen in unserer Beilage „treffregion“.

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