„Mit ihm sind wir alle viel cooler geworden“

Washington · Er hat nicht nur den amerikanischen, sondern auch den deutschen Humor gründlich verändert: Lettermans „Late Show“ inspirierte schon die Sendung „Schmidteinander“ und diente als Vorbild für die „Harald Schmidt Show“. Nun verabschiedet sich der satirische Eisbrecher aus dem Showgeschäft.

Es ist eine imposante Truppe von Prominenten, die sich noch einmal ins Ed Sullivan Theater am New Yorker Broadway setzt, um dem Hausherrn Adieu zu sagen, bevor der am Mittwoch seinen Hut nimmt. Bill Clinton , macht launige Witze, Julia Roberts kommt, um zu flirten. Bob Dylan greift zur Gitarre. George Clooney bringt Handschellen mit und wirft den Schlüssel weg, um den 68-jährigen Altmeister zum symbolischen Gefangenen zu machen, der noch lange nicht aufhören dürfe. Auch Barack Obama reiht sich ein in die Schar. "Ich hab mir gedacht, wir könnten zusammen Domino spielen", bietet er, selbst ab 2017 im Politiker-Ruhestand, dem angehenden Pensionär David Letterman an. "Oder wir gehen ins Starbucks um die Ecke und tauschen alte Geschichten aus". Großer Bahnhof in Manhattan.

In gut drei Jahrzehnten im Rampenlicht erwarb sich Letterman den Ruf, ein satirischer Eisbrecher zu sein. Mit seiner respektlosen Art habe er Schneisen geschlagen und Amerikas Humor gründlicher verändert als irgendwer sonst, meint sein Kollege Jimmy Kimmel, "mit ihm sind wir alle sehr viel cooler geworden". Hätte Lettermans bissige Ironie nicht Schule gemacht, hätten es seine ebenso bissigen Nachfolger ungleich schwerer gehabt.

Begonnen hat er 1982 als ungelenker Schlaks mit opulentem Haarschopf, als er die ersten Gäste der "Late Night With David Letterman " ungeniert auf die Schippe nahm. "Leute, ihr seid anscheinend eine helle Truppe, jedenfalls hell genug, um ein Applaus-Zeichen lesen zu können." Ein Newcomer aus der Provinz brachte frischen Wind ins eher schale Mainstream-Fernsehen der Achtzigerjahre. Aufgewachsen in Indiana, machte Letterman die Mischung aus bodenständiger Skepsis und trockenem Witz, wie man sie Bewohnern des Mittleren Westens gemeinhin nachsagt, zu seiner Erfolgsformel. Die Abneigung gegen einen fast religiös anmutenden Celebrity-Kult zog sich wie ein roter Faden durch seine Sendungen. Dass er schroff sein konnte, erklärte er mit seiner Herkunft. "Du brauchst nicht unbedingt warmherzig zu sein, wenn du in Indiana heranwächst und in einem Kohlebergwerk schuftest. " Die Sängerin Cher warf ihm einmal an den Kopf, dass sie ihn schlicht für ein Arschloch halte.

Es folgten 1993 der Wechsel von NBC zu CBS, nachdem nicht er, sondern sein Erzrivale Jay Leno bei NBC den Veteranen Johnny Carson beerben durfte, und wahre Entertainerkriege mit Leno. Eine lebensrettende Operation am Herzen ließ Letterman milder werden. Nach den 9/11-Anschlägen gehörte er zu jenen, an denen sich das schockierte Land aufrichten konnte. Da war er, neben dem Bürgermeister Rudy Giuliani, die Stimme New Yorks.

Vor sechs Jahren, als ein Erpresser zwei Millionen Dollar verlangte, sonst würde er über Affären des verheirateten Mannes plaudern, ging der Bedrängte mit einem Mea culpa an die Öffentlichkeit. Er habe viele Menschen verletzt, die Schuld liege allein bei ihm. Und dann der Versuch eines Witzes: "Als ich mich heute ins Auto setzte, redete die Lady vom Navigationsgerät nicht mehr mit mir."

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