Mit Händen und Füßen

Saarbrücken · Bettina van Haaren, seit 2000 Professorin für Zeichnung und Druckgraphik an der TU Dortmund, kehrt künstlerisch mit gleich zwei Ausstellungen nach Saarbrücken zurück. Sie geht erbarmungslos mit sich zu Werke.

Bettina van Haarens Umgang mit sich selbst ist schonungslos und ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten. In einer Gesellschaft, die von Selbstoptimierung und Schönheitswahn geprägt ist, ist das selten und gerade deshalb so bemerkenswert. Kaum ein anderer Künstler geht mit sich selbst so erbarmungslos zu Werke. Van Haaren ist eine attraktive Frau in den besten Jahren, doch ihre Gemälde machen aus ihr ein schrundiges, fahles Weib mit übertriebenen Gesichtszügen und fragmentiertem Körper im weißen Nichts der Leinwand, umgeben von Pferdeköpfen, Schweinen und anderem Getier. Gemalt ist das in einem kalten realistischen Stil mit akribisch ausgearbeiteten Oberflächen.

Im grafischen Werk fällt all das weg. Keine hochgradig ausformulierten Oberflächen mehr, weg ist der mit der Lupe an der eigenen Haut gesuchte Teint zwischen Grün, Rot und Schweinchenrosa. Auch der leere Raum in den Gemälden, der ihr so wichtig ist, wird nebensächlich. Nur die Auseinandersetzung mit sich selbst und der Umwelt bleibt. Die Linie wird zum alles beherrschenden Mittel. Fiebrig scheint der Stift über das Blatt zu kriechen und nach etwas zu suchen, was sich dann zu einem gegenständlichen Bild mit stark abstrahierten Formen entwickelt. Dabei schiebt van Haaren die Erfahrungsebenen ineinander. Das Erleben des eigenen Körpers verschmilzt mit Ansichten und Erfahrungen der Künstlerin. Und das im wahren Sinne des Wortes. Die Umrisse des Körpers nehmen Gegenstände und Symbole auf und werden zu einer Einheit. Kakteen wachsen aus dem Körper, Flugzeuge und Waffen, Kröten und Rouladen. Manchmal ist der Körper auch nur ein Berg aus Menschenfragmenten. So visualisiert van Haaren Erlebtes und Gefühltes und fügt innere und äußere Welt zusammen. Ein stark narratives Element zwingt den Betrachter zum Sinnieren.

Mal ist van Haaren als Karikatur ihrer selbst erkennbar, dann wieder sind die Gesichtszüge ebenso verstümmelt wie der Rest des Körpers. Von dem fehlt ohnehin meist der größte Teil, nur Hände und Füße sind fast immer zu sehen. Dornen, Stacheln und Geäst wuchern durch die Bilder. "Ritzen und Löffeln" nennt Galerist Hans Karl Reuther seine Ausstellung in der Galerie im Pavillon (Mainzerstr. 100). Für van Haaren ist das Ritzen ein Gewaltakt, während sie dem Löffeln eine warme Note beimisst. Es erinnere an füttern und nähren. Wer sich die Zeichnungen mit den Löffeln anschaut, wird kaum etwas Wärmendes entdecken. Das ähnelt eher einem Mästen und Stopfen.

Immer wieder hinterfragt die 1961 geborene Künstlerin ihren und unseren Begriff von Schönheit. Trotz der oftmals skurrilen Horrorbilder wohnt den Werken eine subtile Sinnlichkeit inne. Die Werke irritieren aber auch, weil van Haaren trotz der harschen Sujets mit großer Liebe an den Figuren zu arbeiten scheint. Von Selbsthass keine Spur. Diese lebendige Widersprüchlichkeit macht die Arbeiten so spannend.

Für die im Saarland aufgewachsene Dortmunder Professorin ist die Zeichnung nicht Vorstufe zu Malerei und Grafik, sondern eigenständiger Versuch, ohne großen Aufwand Essentielles festzuhalten, zu sammeln. Manches geht in Druck, anderes bleibt Zeichnung. Einen ganz eigenen Bereich nehmen die Aquarelle im Werk van Haarens ein. Sie vereinen den unmittelbaren und reduzierten Strich der Zeichnungen mit den Möglichkeiten der Malerei.

Während die Galerie am Pavillon Zeichnungen, Radierungen und Aquarelle zeigt, präsentiert das KuBa in "Baupläne mit Wolken" 39 Holz- und Linolschnitte. Es ist schwer zu sagen, warum die Ausstellung in der Galerie im Pavillon die bessere ist. Es liegt nicht an der Präsentation, muss also an den Werken selbst liegen. Tatsächlich wirken die Holz- und Linolschnitte im Kuba etwas gröber und derber, die Linien sind dicker, werden manchmal zu schwarzen Flächen. Das sollte eigentlich gut zu den Horrorbildern passen. Doch die zarten Linien von Zeichnung und Radierung konterkarieren die Hässlichkeit und wirken so eindringlicher. Vielleicht ist es aber auch das unmittelbarere Schaffen der Zeichnung gegenüber dem langsameren und bedächtigeren Arbeiten an den Holz- und Linolschnitten, die die Arbeiten so eindrücklich machen.

 Links eine Radierung aus der Serie „Hochzeitsbilder“ (Galerie am Pavillon), rechts Bettina van Haaren in der KuBa-Galerie.

Links eine Radierung aus der Serie „Hochzeitsbilder“ (Galerie am Pavillon), rechts Bettina van Haaren in der KuBa-Galerie.

Foto: Reuther/Maurer

Beide Ausstellungen zeigen die Entwicklung von van Haaren seit 2000. Ihre Arbeiten haben sich zuletzt immer stärker verdichtet. Die neueren sind fast so etwas wie Wimmelbilder, an denen man sich kaum satt sehen kann, weil sich ständig etwas entdecken lässt. Bis 1. Oktober in der Galerie am Pavillon, Mainzerstraße 100 (Do, Fr: 14-18 Uhr; Sa: 11-14 Uhr); Bis 30. Oktober in der Galerie im KuBa, Eurobahnhof (Mo-Fr: 10-15 Uhr).

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