Mit Depeche Mode in Richtung Abgrund
Saarbrücken · Man kann sich seine Fans eben nicht aussuchen. Vor Wochen hatte der in den USA wohlbekannte Rechtsextreme Richard Spencer verkündet, Depeche Mode sei die Lieblingsband der "Alternativen Rechten" der USA. Die Band reagierte knapp mit einem hier nicht druckbaren Schimpfwort und kommentierte den saftigen Kinnhaken, den Spencer wenig später wohl von einem politischen Gegner kassierte, mit "das hat er verdient". Martin Gore, prägender Songschreiber der britischen Band, lebt seit langem in den USA, ist von der Trump-Wahl ebenso entsetzt wie von der Weltlage an sich und kündigte entsprechend das pessimistischste Band-Album überhaupt an (wir berichteten).
"Spirit", das 14. Studioalbum in 36 Bandjahren, ist nun erschienen und zeigt durchaus politischen Furor bei dem Trio, der sich dankenswerterweise nicht in Trump-Attacken entlädt, die auch schon zum pflichtschuldigen Kunst-Klischee zu werden drohen. Der Blick auf die Menschheit war bei der Band noch nie so finster - das allgemeine Versagen (nicht nur das von "denen da oben") ist ein Leitmotiv, es geht um machtberauschte Nationalisten, um irregeleitete Polit-Führung, um fehlende Bildung, um den großen Abstieg in Richtung Neandertal. Manchmal kippt das ins aufdringlich Predigende, wenn die Band etwa indigniert nach der großen Revolution fragt, die doch endlich mal kommen müsste.
Ansonsten aber entwickeln die zwölf Songs, bewährt im Spannungsfeld angesiedelt zwischen blubberender Elektronik und dezenten Rock- und Blues-Elementen, eine zornige Energie, die das Album interessanter macht als einige jüngere CDs der Band - auch wenn die ganz großen Melodien, die Gore einst aus dem Ärmel schüttelte ("Enjoy the silence", "Never let me down again") selten sind. Mit seiner vibrierenden Engelsstimme geleitet er uns durch das melancholische Albumfinale "Fail", an dessen Ende er verkündet, dass wir alle versagt haben und am Ende sind. Vielleicht hat er ja recht.
Depeche Mode: Spirit (Columbia/Sony).
