Missglückte Gollenstein-Operation

Saarbrücken · Alles hat seine Zeit, die des saarländischen Traditionsverlages Gollenstein scheint unwiderruflich vorbei. Zum Jahresende wird das aufgelöst, was von dem 1993 von Alfred Diwersy gegründeten und bis 2012 geleiteten Verlag zuletzt noch als „Markenkern“ übrig blieb. Oliver Elm, der Gollenstein 2012 vor der Insolvenz gerettet hatte, nennt die mangelnde Rentabilität als Grund.

 Zwei Verleger, ein Traditionsverlag: Von 1993 bis 2012 führte Alfred Diwersy (l.) Gollenstein, 2012 übernahm Oliver Elm. Fotos: Dietze/O.E.M.

Zwei Verleger, ein Traditionsverlag: Von 1993 bis 2012 führte Alfred Diwersy (l.) Gollenstein, 2012 übernahm Oliver Elm. Fotos: Dietze/O.E.M.

Vor über drei Jahren sagte Oliver Elm anlässlich des 20-jährigen Jubiläums von Gollenstein, dessen Insolvenz er 2012 durch seinen Einstieg als neuer Gesellschafter abgewendet hatte: "Das ganze Unterfangen macht nur Sinn, wenn wir Profit machen." Weil dies seither nicht in halbwegs rentablem Maße gelungen ist, stellt Elm "schweren Herzens", wie es in einer internen Mitteilung an seine Autoren unlängst hieß, zum Jahresende den Verlag ein. Alle Versuche, den auch früher wiederholt betriebswirtschaftlich taumelnden Verlag dauerhaft zu stabilisieren, sind damit gescheitert. Nun zieht Elm die Notbremse, womit die Region ihren ehemals wichtigsten, mit den Jahren jedoch immer beliebiger gewordenen Verlag einbüßt.

Im Februar hatte bereits eine Äußerung der früheren Gollenstein-Autorin Alena Wagnerová hellhörig werden lassen, die anlässlich einer Lesung aus einem Buchmanuskript dessen Nichterscheinen mit dem Satz erklärt hatte: "Da es den Gollenstein Verlag nicht mehr gibt, gibt es auch dieses Buch nicht." Tags darauf erschien zwar eine Richtigstellung, dass nur der "alte" Gollenstein Verlag 2012 eingestellt worden sei, Oliver Elms Saarbrücker Datenlogistik-Firma O.E.M. das Programm aber fortführe. Doch enthielt Wagnerovás Satz eine tiefere Wahrheit. Ist Gollenstein doch schon lange kein klassischer Autorenverlag mehr.

Nachdem Alfred Diwersy ihn 1993 unter dem Dach der Bliesdruckerei begründet hatte, stand der Verlag sieben Jahre später erstmals am Abgrund. Andererseits war es Diwersy bis dahin gelungen, in dem verlegerischen Steppengebiet Saarland ein von mehreren ambitionierten Buchreihen getragenes, hochwertig gestaltetes Programm zu etablieren, das damals 130 Titel umfasste. Auf die Trennung von der Bliesdruckerei folgten sieben abermals finanziell krisenhafte Jahre, an deren Ende 2007 eine neuerliche Zäsur stand: Als sich Diwersy mit der im Jahr 2000 als Mit-Verlegerin eingestiegenen Buchhändlerin Brigitte Gode über die Verlagsausrichtung überworfen hatte und Gode ausstieg, versuchte er - gesegnet mit einem unverwüstlichen, indes betriebswirtschaftlich wenig geerdeten Enthusiasmus - 2007 eine Neukonsolidierung. In seiner Heimatstadt Merzig unter dem Dach der "Merziger Verlag und Druckerei GmbH" (MVD). Die Probleme jedoch blieben dieselben: Fehlkalkulationen, notorische Auslieferungsschwierigkeiten, verschobene Neuerscheinungen und so manche Ladenhüter nagten nicht nur an der Verlagsreputation, sie ließen auch Schulden in sechsstelliger Höhe auflaufen. Trotz der beständigen Ko-Finanzierung ganzer Programmreihen durch Saartoto und vor allem zweier saarländischer Parteistiftungen - der Stiftung Demokratie, maßgeblich aber der Unionstiftung.

Der nächste Kollaps folgte 2012 im Zuge der Aufgabe der MVD, die Diwersys Gollenstein mit in den Abgrund rollen ließ. Schon damals wäre der Verlag spätestens da ohne den Einstieg Oliver Elms endgültig liquidiert worden. So aber implementierte Elm im vierten Rettungsversuch Gollensteins "Markenkern" in sein Datenlogistik-Unternehmen. Auch dass er mit der seit 2009 als Diwersy-Assistentin wirkenden Gabriela Hoffmann personell für Kontinuität sorgte, hat am Ende nichts geholfen.

In dem Beerdigungsbrief an ihre Autoren schreiben Elm und Hoffmann, dass es "trotz neuer Marketingstrategien, trotz bundesweiter Resonanz auf viele Produkte" nicht gelungen sei, den Verlag auf eine solide Basis zu stellen. Sie setzten vergeblich auf das Digitalisierungspferd. In einer befremdlich anmutenden Selbstbeschreibung des "neuen" Verlages hatte es 2013 geheißen, die Bedeutung klassischer Bücher werde "zunehmend geringer": "Wir greifen diesen Gedanken auf, befreien Bücher von ihren Fesseln, schaffen Aufmerksamkeit und finden Leser." Dass dies, obwohl das E-Book-Geschäft offenbar gut lief, am Ende misslang, erklärt Gabriela Hoffmann auch mit der Ausdünnung der Buchhandels- sowie einer veränderten Medienlandschaft. "Es ist immer schwieriger geworden, unsere Titel zu platzieren." Die wichtigste Verlagsreihe, Ralph Schocks regionalhistorisch bedeutende, literarische Texte sammelnde "Spuren", erscheint längst im Conte Verlag.

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