Gespräch mit Direktor des Metropolitan Museums „Es liegen harte Entscheidungen vor uns“

New York · Der Direktor des geschlossenen Metropolitan Museum sorgt sich um die Zukunft des Hauses – hat aber Hoffnung.

 Ein Jogger läuft vor dem Metropolitan Museum vorbei, das wohl frühestens im Sommer wieder öffnet.

Ein Jogger läuft vor dem Metropolitan Museum vorbei, das wohl frühestens im Sommer wieder öffnet.

Foto: dpa/Christina Horsten

Mehr als sieben Millionen Menschen besuchen üblicherweise jedes Jahr das Metropolitan Museum in New York. Am Ostermontag ist es 150 Jahre alt geworden; eigentlich hatte der Geburtstag groß gefeiert werden sollen – doch wegen der Corona-Krise kam alles anders, die Ausstellungshalle musste schließen. Was das für das Metropolitan Museum bedeutet und wie es nun weitergehen kann, erklärt der österreichische Direktor Max Hollein im Interview.

Herr Hollein, wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?

HOLLEIN Ja, vielen Dank, mir geht es den Umständen entsprechend gut. Meine Frau, unsere Kinder und ich sind seit einem Monat sicher und gesund zu Hause in Manhattan, nur ich gehe ein paar Mal in der Woche ins Met, um sicher zu gehen, dass alles in Ordnung ist. Über FaceTime sind wir mit Familie und Freunden in Europa in Kontakt, und sehen auch die positiven Seiten, gerade viel Zeit miteinander verbringen zu können – obwohl unsere Teenager-Kinder wahrscheinlich sagen würden, dass sie für „Spring Break“ andere Pläne hatten, als mit ihren Eltern zu Hause zu bleiben.

Das Metropolitan Museum wird 150 und wollte das groß feiern – aber wegen der Corona-Pandemie ist es jetzt vorübergehend geschlossen. Was ist das für ein Gefühl?

HOLLEIN Die Schließung des Museums war natürlich ein emotionaler Moment für uns. Es ist erst das dritte Mal in seiner 150-jährigen Geschichte, dass das Met geschlossen ist. Als Institution, die im Jahr über sieben Millionen Besucher begrüßt, war uns aber sofort klar, dass wir entschieden reagieren mussten, um die Sicherheit unserer Mitarbeiter und der Öffentlichkeit zu gewährleisten, und unseren Beitrag zu leisten, die Verbreitung des Virus zu minimieren. Dass dies in unserem Jubiläumsjahr passiert, ist schade, aber nicht zu ändern. Viel wichtiger ist für uns, wie es den Menschen in New York und der Welt geht, die enorm unter dieser Krise leiden.

Was wird jetzt aus den Jubiläumsplänen?

HOLLEIN Einen Teil des Programms haben wir zu Jahresbeginn bereits umgesetzt, wie zum Beispiel unsere neue digitale Videoserie „Met Stories“, in der Besucher – von Künstlern über Lehrer bis hin zu Celebrities – fesselnde Geschichten über „ihr“ Met teilen. Unsere Jubiläumsausstellung „Making The Met“ haben wir bis unmittelbar zur Schließung fast fertig installiert, und werden wir nach der Wiedereröffnung bis in den Januar 2021 zeigen. Es ist, wenn man so will, die ideale Ausstellung für den Moment, da sie die Geschichte des Met seit seiner Gründung darstellt und auch zeigt, wie das Museum vergangene Zeiten voller Unsicherheit überstanden und die Widerstandsfähigkeit der Institution unter Beweis gestellt hat. Was die geplanten Veranstaltungen anbetrifft, die am 13. April und im Juni hätten stattfinden sollen, so werden wir diese in angemessenem Rahmen im Herbst, wahrscheinlich am 2. und 3. Oktober, nachholen, sobald der Zeitpunkt dafür richtig ist.

Was passiert gerade hinter den geschlossenen Türen des Met?

HOLLEIN Wir haben sehr rasch einen robusten Notfallplan in Kraft gesetzt, der auf dem herausragenden Engagement eines kleinen Kernteams beruht, das noch immer vor Ort arbeitet, unsere Infrastruktur instand hält und den Zustand der Kunstwerke überprüft. Das sind Kollegen aus den Bereichen Sicherheit, Gebäudemanagement, Schädlingsbekämpfung, und natürlich Restauratoren, die nach der Kunst schauen. Als Direktor komme ich auch regelmäßig ins Museum, um sicher zu stellen, dass alles klappt. Der restliche Teil der über 2000 Mitarbeiter arbeitet derzeit, soweit es eben geht, von zu Hause.

Wie kann es weitergehen, wann kann wieder geöffnet werden?

HOLLEIN Wir gehen derzeit davon aus, dass wir wohl vor Juli nicht öffnen. Und selbst dann werden es veränderte Verhältnisse sein. Wir gehen davon aus, dass auf sehr lange Zeit die Besucherzahl stark reduziert sein wird. Auch wird es sicher Restriktionen geben, wie viele Leute ins Met dürfen. Außerdem kommen mehr als 30 Prozent unserer Besucher aus dem Ausland. Der globale Tourismus wird sich erst über Monate langsam wieder neu entwickeln und erholen. Wir werden eine ganz andere Publikumszusammensetzung vorfinden.

Was bedeutet das finanziell für das Museum?

HOLLEIN Unsere derzeitige Prognose ist, dass uns die aktuelle Krise rund 100 Millionen Dollar kosten wird — allein 60 Millionen Dollar bis zum Ablauf des Haushaltsjahrs Ende Juli, der Rest danach. Wir haben keine Eintrittserlöse, keinen Umsatz im Shop und den Restaurants, keine Veranstaltungen, und das Fundraising wird unter ganz anderen Voraussetzungen stattfinden. Für alle kulturellen oder gemeinnützigen Institutionen ist dies eine finanziell sehr schwierige, so noch nie da gewesene Zeit — und viele andere, kleine Institutionen sind existenziell bedroht. Es liegen harte Entscheidungen vor uns, zugleich ist es mir wichtig, so viele Mitarbeiter wie möglich bis zum Ende der Krise zu bezahlen. Das Met hat durch seinen Kapitalstock eine solide finanzielle Basis, und wir werden durch einen Notfallfonds, den wir gerade einrichten, dieser Krise trotzen können. Die Vorzeichen, unter denen wir danach agieren, werden sich jedoch in verschiedenster Hinsicht komplett anders darstellen.

  Max Hollein, Direktor des Metropolitan Museums.

Max Hollein, Direktor des Metropolitan Museums.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Was bedeutet die Corona-Pandemie für die Kunstwelt generell?

HOLLEIN Die existenzielle Bedrohung, vor der viele andere Kunstinstitutionen stehen, gilt natürlich in gleicher Weise auch für Künstler — und hier versuchen wir, Abhilfe zu schaffen, indem wir trotz aller Krisenbewältigung auch weiterhin mit Künstlern arbeiten und gemeinsam unser Programm für die Zeit nach Corona vorbereiten. Sehr positiv sehe ich, dass alle Zielgruppen, nicht nur die jüngeren, die Fähigkeit aufgebaut haben, Inhalte digital aufzunehmen. In dieser Zeit der Selbstisolation haben alle ihre Videochat-, Social Media- und Online-Surfing-Fähigkeiten fundamental verbessert. Das ist eine Riesenchance für kulturelle Institutionen, hierauf wird man dauerhaft aufbauen können. Ich sehe außerdem den positiven Effekt, dass man gewisse Angebote und Möglichkeiten vielleicht anschließend noch mehr zu schätzen weiß und nicht mehr als so selbstverständlich nimmt. Es ist ein Privileg, Museen, Galerien, Opern, Theater und ähnliches in seiner Freizeit zur Verfügung zu haben.

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