Der Roman „Harte Jahre“ von Mario Vargas Llosa Die Bananen und die Propaganda

Saarbrücken · In seinem neuen Roman „Harte Jahre“ erzählt Mario Vargas Llosa von einem Schlüsselmoment in der Geschichte Lateinamerikas.

 Mario Vargas Llosa (84) erhielt 2010 den Nobelpreis für Literatur.

Mario Vargas Llosa (84) erhielt 2010 den Nobelpreis für Literatur.

Foto: picture alliance / dpa/Kiko Huesca

Fake News sind keine Erfindung von Donald Trump. Von Goebbels bis zur Mär von Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen gehören Propaganda, Dämonisierung des Gegners und gezielte Falschinformationen der Öffentlichkeit seit Jahrhunderten zum politischen Geschäft. Ganz besonders wirksame Fake News schildert Mario Vargas Llosa, einer der letzten Vertreter der Generation großer Autoren Lateinamerikas, in seinem neuen Roman „Harte Jahre“.

Er erzählt von einem Schlüsselmoment in der Geschichte Lateinamerikas: Es war der Bananenkonzern United Fruit Company, heute bekannt unter dem Namen Chiquita, der mit Hilfe der CIA und führender US-Politiker rücksichtslos die Länder Mittelamerikas und der Karibik – sogenannte Bananenrepubliken – ausbeutete und dafür 1954 die Absetzung des guatemaltekischen Präsidenten Jacobo Arbenz ins Werk setzte. Arbenz wollte mit einer Landreform das Elend der Bevölkerung, insbesondere das der Ureinwohner, bekämpfen und dafür sorgen, das die United Fruit Company überhaupt Steuern zahlte. In Guatemala „drohte“ eine Demokratie mit funktionierenden Institutionen zu entstehen, was das Ende der „Bananenrepublik“ bedeutet hätte.

Mit einer gezielten Kampagne sorgten das Bananen-Imperium, US-Politker um CIA-Chef Allen Dulles und Experten für Massenpsychologie dafür, Arbenz in der westlichen Welt als Moskau-hörigen Kommunisten darzustellen – und das, obwohl der Präsident keineswegs sozialistische Verhältnisse anstrebte, sondern „eine kapitalistische Demokratie wie in den USA“.

„Haben Sie vergessen, dass wir ein souveränes Land sind und Sie nur ein fremder Botschafter und nicht unser Vize-König?“, fragt Arbenz in einer Szene des Buchs den US-Botschafter John Peurifoy, der zuvor in Griechenland den Bürgerkrieg mit entfacht hatte. Die Antwort des amerikanischen Diplomaten: schallendes Gelächter. Die Strategie ging auf: In Guatemala gelangten wirtschaftsfreundliche Militärdiktaturen an die Macht. 1960 begann ein 40 Jahre währender Bürgerkrieg, der 200 000 Menschen das Leben kostete und das wunderschöne Land zu einem der ärmsten Länder Lateinamerikas machte.

Llosa erzählt die Vorgeschichte zu diesem Krieg und zeigt sich überzeugt, dass der Sturz von Arbenz einer der Schlüsselmomente in der Geschichte Lateinamerikas ist: Dort eskalierte seitdem die Stimmung gegen die USA; kommunistische Befreiungsbewegungen entstanden, Fidel Castro radikalisierte sich.

Dem peruanischen Literatur-Nobelpreisträger geht es nur am Rande um Arbenz. Er wird nicht als strahlender Reformer geschildert, sondern als scheuer, schweigsamer, aber auch aufrechter Politiker, der mit seiner Landreform die Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung fand. Vargas Llosa charakterisiert vor allem die – teils historisch verbürgten, teils erfundenen – Täter und das Netz aus Desinformationen, politischen Machtspielen, Gier und Gewinnsucht, das sie über Guatemala und seine Nachbarstaaten ausbreiteten. Auch ein alter Bekannter taucht wieder auf: der grausame dominikanische Diktator Rafael Leonidas Trujillo, der 1961 bei einem Attentat erschossen wurde. Ihn hatte Vargas Llosa mit „Das Fest des Ziegenbocks“ bereits im Jahr 2000 ins Zentrum eines Romans gestellt, der tiefe Einblicke in die physischen und psychologischen Bedingungen eines diktatorischen Regimes eröffnete.

In seinem umfangreichen Werk hat Llosa immer wieder zentrale gesellschaftliche und politische Probleme aufgegriffen und die Tragödien Lateinamerikas beschrieben. In dem figurenreichen, zwischen verschiedenen Ebenen und Zeiten wechselnden Roman „Harte Jahre“ präsentiert er die bittere Geschichte Guatemalas mal im kühlen und sachlichen Ton eines Historikers und mal in der erzählerischen Üppigkeit, die man aus seinen besten Romanen kennt. Wenn er das Gespräch zwischen zwei Diktatoren schildert oder das Besäufnis zweier Folterer in einem billigen Bordell – während ein stummer Indio den Boden wischt –, ist der Leser mitten drin und ganz nah an den Akteuren.

 "Harte Jahre"

"Harte Jahre"

Foto: Suhrkamp

Mario Vargas Llosa: Harte Jahre. Aus dem Spanischen von Thomas Brovot. Suhrkamp, 411 Seiten, 24 Euro.

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