Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim Macht und Ohnmacht der Päpste

Mannheim · Eine Schau in Mannheim widmet sich umfassend der Geschichte des Papsttums von der Antike bis zur Renaissance. Herausragende Päpste und ihre Politik stehen im Mittelpunkt.

 Dieser Papst-Kaiser-Rotulus (hier ein Ausschnitt), entstanden 1431 bis 1433, präsentiert auf 15 Pergamentblättern Universalgeschichte über mehr als 1400 Jahre in graphischer Gestalt: Oben insgesamt 232 Papstbilder, unten 133 Bilder von  Kaisern und Königen.

Dieser Papst-Kaiser-Rotulus (hier ein Ausschnitt), entstanden 1431 bis 1433, präsentiert auf 15 Pergamentblättern Universalgeschichte über mehr als 1400 Jahre in graphischer Gestalt: Oben insgesamt 232 Papstbilder, unten 133 Bilder von  Kaisern und Königen.

Foto: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

„Die Reformation ist nicht zu verstehen, ohne Kenntnisse über die Zeit davor.“ So umreißt Alfried Wieczorek, Direktor der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim, Sinn und Zweck der großen, ambitionierten und gelungenen Ausstellung über „Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt“. Im Reformationsjahr, in dem sich alles um Martin Luther dreht, setzt Mannheim bewusst einen Gegen-Schwerpunkt mit dieser Schau, die man als wichtige Ergänzung zum Lutherjahr sehen kann. An ihr gearbeitet hat man seit 2011 gemeinsam mit der Universität Heidelberg. Auf 2500 Quadratmetern, verteilt auf vier Stockwerken, werden rund 330 Kunst- und Kulturschätze im Zeughaus gezeigt. 35 davon kommen direkt aus dem Vatikan und seinen Museen. Der Vatikan verleihe bekanntlich sehr zurückhaltend, wie der Direktor bemerkt.

Nun ist man in Mannheim stolz, einige noch nie nördlich der Alpen gezeigten Kostbarkeiten präsentieren zu können. Beim Rundgang durch 1500 Jahre Kultur- und Kirchengeschichte begegnet man seltenen Zeugnissen der frühen Kirche, kostbaren Textilien, reich illustrierten mittelalterlichen Schriften wie dem Papst-Kaiser-Rotulus von 1431 mit den Namen sämtlicher Päpste, der in der Schau erstmals in seiner vollen Länge von fast sieben Metern zu sehen ist, sowie Papstbildnissen von Tizian bis Francis Bacon.

Die Schau beginnt im Erdgeschoss mit der Rekonstruktion des Petrus-Grabes in Originalgröße. Kaiser Konstantin hatte 320 in Rom eine große Gedächtnisbasilika (Alt-St. Peter) darüber errichten lassen. Heute steht dort der Petersdom. Es ist die Keimzelle der katholischen Kirche, der Fels, auf dem sie gebaut ist, der Ursprungsort des Papsttums. Es dauerte zwar bis ins 11. Jahrhundert, bis der Bischof von Rom zum universalen Stellvertreter Christi – zum Papst also – wurde. Aber diese Entwicklung ist nicht zu verstehen, ohne sich in die Geschichte Roms und des Römischen Reiches mit seinen Kaisern zu vertiefen.

Hier sei allen Besuchern geraten, viel Zeit mitzubringen und möglichst eine Führung zu buchen. 1500 Jahre Kirchen- und Kulturgeschichte werden chronologisch erzählt. Und weil die meisten Exponate auf den ersten Blick unspektakulär daherkommen, läuft der Besucher Gefahr, irgendwann auszusteigen. Doch gerade die kleinsten Text-Fragmente haben es in sich: Da ist zum Beispiel das Papyrusfragment mit dem Glaubensbekenntns von Nicäa aus dem Jahr 325 oder älteste Fragmente der Vulgata, der Übersetzung der Bibel ins Lateinische, die sich gegen andere, ältere lateinische Übersetzungen durchsetzte.

Die Ausstellungsmacher haben das offenbar bedacht und drei digital aufwändig produzierte Filme in Autrag gegeben, in denen die städtebauliche Entwicklung der Stadt und wichtiger Bauwerke wie der Basilika Alt-St. Peter oder des Lateranpalastes dreidimensional in verschiedenen Epochen rekonstruiert werden.

Es versteht sich bei dieser Überblicksschau von selbst, dass man sich auf die wichtigsten Päpste beschränkt, wie zum Beispiel Papst Gregor I (dem Großen, 590 bis 604), der ob seiner moralisch untadeligen Lebensführung auffiel und den Einfluss der Kirche im Westen und Norden Europas vergrößerte. Oder der „deutsche“ Papst Leo IX (1049 bis 1054), der die „papstgeschichtliche Wende“ einleitete und die universale Macht des Papstes auch gegenüber dem Kaiser einforderte und behauptete. Päpstliche Urkunden und Siegel zeigen, wie sich die päpstlich-römische Gesetzgebung durchsetzte. Anhand von einzelnen wichtigen Papst-Persönlichkeiten wird erzählt, wie sich die Machtverhältnisse zwischen Kaisertum und Papsttum durch die Jahrhunderte immer wieder verschoben haben.

Die Geschichte des Papsttums ist untrennbar verknüpft mit der römischen Stadtgeschichte. Mitte des 14. Jahrhunderts lebten nur noch ein paar Tausend Menschen in der einstigen Millionenstadt Rom. Der Papst und die Kurie waren auf Druck des französichen Königs nach Avignon umgezogen. Zeitweise gab es sogar zwei, ja drei Päpste. Dass die Kirche diese Spaltung überhaupt überwunden hat, verdankt sie dem Konzil von Konstanz (1414-1418), dessen bunt bebilderte Chronik in einer frühen Druckausgabe von 1483 zu sehen ist.

Der letzte Teil der Ausstellung dreht sich um die Restauration des Papsttums in Rom ab 1378 nach der Rückkehr der Päpste aus dem Exil in Avignon, das immerhin fast 70 Jahre dauerte. Hier gibt es auch mehr zu sehen, denn es existieren Gemälde und Büsten der Renaissance-Päpste.

Sie retten das heruntergekommene Rom, verlegen ihren Sitz vom Lateran zum Vatikan und beginnen Anfang des 16. Jahrhunderts schließlich mit dem Bau des Petersdoms. Die Päpste förderten die Künste und die Ideen des Humanismus. Papst Pius II (1459 bis 1464) galt als Intellektueller. Alexander VI (der steinreiche Spanier Rodrigo Borja) baut Rom weiter aus und teilt die Neue Welt zwischen Spanien und Portugal auf. Julius II (1503 bis 1513) verteidigt den Kirchenstaat gar als Kriegsherr – und gründete die Schweizer Garde zu seinem eigenen Schutz. Er trieb den Bau des Petersdoms voran und baute den Ablasshandel aus. Reformen kamen zu spät, Kritik am Papsttum nahm zu – und der Boden für Martin Luther und die Reformation war bereitet, die dauerhafte Spaltung der Kirche war die Folge.

Die Ausstellung entlässt den Besucher mit einem der verstörenden Papst-Portraits Francis Bacons. der Papst scheint zu schreien, sitzt in einer Art Käfig. Das Bild bleibt haften – und regt an zur weiteren Beschäftigung mit dieser faszinierenden Geschichte des Papsttums und der lateinischen, abendländischen Welt, die für das Christentum gerade im Reformationsjahr eine unentbehrliche Basis ist. Schließlich gelten viele der mittelalterlichen päpstlichen Kodizes bis heute. Sicherlich ist diese Mannheimer Päpste-Schau schwere Kost. Aber der Besuch und der Katalog lohnen sich.

 Büste von Papst Pius II (1459-1464).

Büste von Papst Pius II (1459-1464).

Foto: Musei Vaticani, Governatorato dello Stato della Citta del Vaticano

Die Ausstellung  läuft bis 31. Oktober. Di bis So 11-18 Uhr.

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