Machen wir mehr aus unseren Orten

Saarbrücken · Begrünungen, bessere Bodenbeläge, höherwertiges Mobiliar und das Ordnen und Angleichen des Vorhandenen: Die Aufenthaltsqualität in vielen saarländischen Orten ließe sich auch ohne große Investitionen verbessern.

 Auch wenn sich diese Laternen in Völklingen selbstbewusst in die Höhe zu strecken scheinen, das Nonplusultra saarländischen Stadtmobiliars möchte man sie nicht nennen. Foto: Robby Lorenz

Auch wenn sich diese Laternen in Völklingen selbstbewusst in die Höhe zu strecken scheinen, das Nonplusultra saarländischen Stadtmobiliars möchte man sie nicht nennen. Foto: Robby Lorenz

Foto: Robby Lorenz

Wer durch saarländische Ortschaften fährt - gehend erschließt sie sich fast niemand mehr - , kommt nicht umhin, sich zu fragen, wieviel öffentlicher Raum noch vorhanden ist. Wie er gestaltet oder verunstaltet und ob er überhaupt genutzt wird. Viele Gemeinden sind im Grunde zu Straßendörfern verkommen, deren Verweilqualität für Auswärtige gering ist: keine Plätze, keine Parks, keine Ruhezonen. Nicht selten ist nicht einmal eine echte Ortsmitte auszumachen. Als wäre inzwischen vielerorts alles unter Asphalt begraben. Auf jedes Haus scheinen heute zwei Autos zu kommen. Entsprechend sehen Siedlungsräume meist aus, die wir Dörfer und Städte nennen: Sie sind Spiegelbilder unserer Mobilitätsversessenheit.

Gleichzeitig soll das touristische Potenzial des Landes besser ausgeschöpft werden, wie die Politik nicht müde wird, mal um mal zu betonen. Als Landschaftsraum hat das Bundesland viel zu bieten, aber auch ausreichend attraktive Städte? Wenngleich fast alle Kommunen überschuldet sind und Investitionen beständig vertagt werden (nicht selten, bis sie verjährt sind): Auch mit bescheidenen Mitteln ließe sich manches bewegen.

Dazu müssten die Gemeinden zuallererst Gestaltungssatzungen erlassen. Das baumarktgetriebene "Knaubertum", das bisweilen höchst originelle Stilblüten treibt, oft genug aber architektonisch wie ästhetisch ein Graus ist, wird sich damit zwar nicht eindämmen lassen. Dafür jedoch etwas anderes: die um sich greifende Entwidmung von Vorgärten zu Parkplatzflächen. Das Automobil ist zu einem solchen Privatheiligtum geworden, dass man ihm bereitwillig Haus und Hof untertan macht. Als zweites politisches Gestaltungsregulativ mit weitreichender Wirkung ließe sich die Begrünung von Durchgangsstraßen vorantreiben. Vergleicht man solche mit und ohne Baumbestand, springt das damit einhergehende enorme gestalterische Potenzial förmlich ins Auge: Bäume (und sprießende Vorgärten) strukturieren und rhythmisieren Straßenzüge auf behagliche Weise mehr als alles andere.

In ähnlicher Weise, wie landschaftsarchitektonisch bedachte Bepflanzungen (Verkehrs-)Flächen akzentuieren und beruhigen können, vermögen dies auch Bodenbeläge. Wiche mancherorts das Sammelsurium unterschiedlichster Betonplatten, Pflastersteine und Asphaltstücke einem qualitätvolleren, einheitlicheren Erscheinungsbild, hätten die Orte im Wortsinne eine passable Grundlage. An Beispielen fehlt es nicht, dass Billiglösungen nicht lange währen und hochwertige Pflasterungen getreu dem Grundsatz "Wer billig baut, baut oft zweimal" zuletzt oft günstiger kommen.

Bliebe als weitere, trotz leerer Kassen umsetzbare Notwendigkeit die beherzte Beruhigung des öffentlichen Raumes durch seine Entrümpelung, Homogenisierung und ästhetische Aufwertung. Man verliert leicht aus den Augen, welche Gestaltungselemente den Charakter eines Ortes ausmachen, sieht man von Architektur und Verkehrswegen ab. Ganz profane Dinge sind es: Abfallkörbe und Trafokästen, Lampen und Masten, Bänke und Haltestellen, Werbetafeln und Litfasssäulen, Poller und Blumenkübel, Parkautomaten und Schüttgutbehälter, Fahrradständer und Geländer. Allesamt schnöde "Alltagsskulpturen" gewissermaßen, die man oft übersieht und deshalb in ihrer Bedeutung für das Ganze unterschätzt. Vielen Orten fehlt es hier an einer ästhetischen Linie: Alle paar hundert Meter sieht das Stadtmobiliar anders aus. Es regiert die Beliebigkeit, selten ist etwas aus einem Guss. Was eine konsistente, hochwertige Gestaltung leisten könnte, zeigen pars pro toto die (allerdings erst im zweiten Anlauf gelungene) Neugestaltung des Marienplatzes in Neunkirchen oder die der Dillinger Fußgängerzone.

Werden die Verweilangebote dieser aufwändig gestalteten Orte auch genutzt? Kaum wer sitzt dort. Weil das als Nutzungskonzept solcher Freiräume nicht mehr ausreicht? Wo Belebung gelingt - wie etwa auf jenem Teil des Saarbrücker Landwehrplatzes, auf dem sich allabendlich Basketballer, Frisbeespieler und asiatische Kampfkünstler tummeln - , scheint der öffentliche Raum wieder in sein Recht versetzt. Haben wir vor lauter plumpen Kommerztreffs, planierten Vorplätzen (Bahnhöfe, Kulturhallen), seelenlosen Fußgängerzonen doch fast vergessen, welche Kostbarkeit Orte des Gemeinsinns sind: Eine Res publica, allen offen stehende Aufenthaltsorte. Paradebeispiel schlechthin ist die Parklandschaft am Saarbrücker Staden.

Ansonsten aber übernehmen offenbar Einkaufszentren immer häufiger die Rolle von öffentlichen Plätzen. Einerseits scheint dies Ausdruck unserer Bequemlichkeit zu sein, alles unter einem (noch dazu geschützten) Dach vorzufinden. Andererseits aber entbindet es die öffentliche Hand, der Bürgerschaft ein als Erholungsraum und Kommunikationsort gestaltetes Umfeld vorzuhalten. Wo keine Bürger sind, die etwas fordern, wird selten etwas gegeben.

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