Musical in Neunkirchen Lobet die Herrin!

Neunkirchen · Die „Päpstin“ in Neunkirchen braucht so ihre Zeit, bis sie einen zum Musical-Glauben bekehrt.

 Eine Frau im Glück: Johanna hat es auf den Papstthron geschafft. Anna Hofbauer glänzt als „Die Päpstin“ jetzt in Neunkirchen.

Eine Frau im Glück: Johanna hat es auf den Papstthron geschafft. Anna Hofbauer glänzt als „Die Päpstin“ jetzt in Neunkirchen.

Foto: Jörg Jacobi

Erst Buch, dann Film, dann Musical: Eine griffige Story behauptet sich offenbar in jedem Genre. Was ist das aber auch für eine Geschichte! Eine Frau auf dem Papstthron. Heute noch ein (Un-)Ding in den Augen vieler frommer Brüder. Jener Merkwürden, die sonst so gern von der Mutter Kirche reden. Und dann spielt das Ganze auch noch im 9. Jahrhundert, als die Zeile aus dem Korinther-Brief, „Das Weib soll schweigen in der Gemeinde“, ja allgemeines Credo war.

US-Autorin Donna W. Cross schlug aber exakt aus diesem düsteren Säkulum erzählend Funken. Eine diffuse Legende verdichtete sie im Roman so gekonnt zu einem kirchenhistorisch explosiven Stöffchen, dass viele das nun für die reine Wahrheit halten. Obwohl keineswegs verbürgt ist, dass es Päpstin Johanna wirklich gab. Cross skizziert aber fürwahr eine imponierende Frau. Eine, die nicht bloß gegen eine bis ins Mark patriarchalische Gesellschaft aufbegehrt, die mit Wissenschaft und Menschlichkeit wider alte Germanengötter wie gegen verbohrte Christen-Gläubigkeit anrennt. Nein, sie sehnt sich überdies auch nach privater Trautheit: sozusagen als Päpstin in Paar-Beziehung. Donna-Wetter, Miss Cross, da haben Sie aber reichlich Neuzeitliches ins Mittelalter verpflanzt!

Kam aber an. Das Buch war ein (Kassen-)Knüller, der Film zumindest in Deutschland ein Hit. Und als Musical? Lief auch gut: In Fulda kamen seit 2011 rund 76 000 Besucher; 110 Vorstellungen am laufenden Band. Da sprach einiges dafür, „Die Päpstin“ in Neunkirchen neu aufzulegen. Um sie von hier aus auf Missionsreise durch Deutschland zu entsenden. Neunkirchens kulturseeliger Oberhirte Jürgen Fried predigt da in der Programmbibel bereits vom Großen, dass von seinem Sprengel ausgehen möge. Schaun’ mer mal, würde ein bayrischer Fußball-Heiliger dazu sagen.

Denn dramaturgisch ist „Die Päpstin“ als Musical leider eher ein Bettelmönch. Trotz drei Stunden Spielzeit in der Neunkircher Gebläsehalle wird Johannas Lebensweg hopplahopp durcheilt. Von den eben erst zwangsgetauften Sachsen über die Klosterschule (hinreißend selbstbewusst als Jung-Johanna: Alva Kist) über ein scheues Liebesintermezzo mit Markgraf Gerold schließlich zu ihrer Mannwerdung: Sie verleugnet ihr Geschlecht, um als Mönch das von ihr selbst bestimmte Leben zu führen. Flugs weiter dann hinauf bis zum Heiligen Stuhl. Wo Roman und Kino noch die Figuren charakterisieren, wird im Musical von Dennis Martin und Christoph Jilo fix Geschichte gemacht. Regisseur Benjamin Sahler drückt zudem noch mehr aufs Gas. Dabei würde man gerne mal mit Johanna fühlen, leiden, besser verstehen, was sie eigentlich treibt. Keine Zeit. Dafür immer wieder Tanzeinlagen, die ans seelige Fernsehballett erinnern. Nur selten so synchron.

Irritierender aber als dieser Temporitt ist Dennis Martins profaner, kaum am Historischen interessierter Popsound, der überdies auch aus der Konserve tönt. Etwas mehr Spiel mit dem Schatz sakraler Musiktradition hätte wohl sein dürfen. Greogorianik-Pop war ja schließlich auch mal Mode. Doch mal klingt’s bei Martin nach aufgekratztem Kirchentagsrock. Dann sieht es im spätrömischen Freudenhaus aus wie im Moulin Rouge, und Stefanie Kock (das aber mit richtig Power und Stimmschwärze) legt los, als solle das ein Bond-Song werden.

Trotzdem aber bekehrt einen diese „Päpstin“ dann noch zum Glauben ans Musical und dessen Kraft. Denn immer, wenn sich die große Historie, das Zeiten- und Sittengemälde zur Liebesgeschichte und Johannas Inennschau verdichten, schreibt Martin seine besten Titel, schmiegen sich Johanna und Gerold in wunderbare Songs und Duette, Momente echter Innigkeit. Vor allem aber ist dieser Profi-Cast eine Offenbarung, ganz ohne Ausreißer. Gekrönt aber von einer Sänger-Dreifaltigkeit – und einem Satansbraten. Der höllisch Gute zuerst. Anastasius, skrupelloser Machtsüchtiger und Kardinal ist Johannas ärgster Feind. Kalt und wutröhrend singt Sven Fliege ihn, schreit die Lust am Bösen raus: Diesen Typ muss man lieben, weil man ihn so schön hassen kann.

 Zwei Männer aber stehen Johanna auch zur Seite. Der edle Gelehrte Aeskulapius: für den Musical-Titan Uwe Kröger eine weitere von längst Dutzenden Paraderollen. Vornehm, stimmlich überragend, soigniert, manchmal auch ein wenig zu parfümiert adelt Kröger auch diesen Auftritt.

Schön aber, dass der andere da mit jeder Faser ein Kerl ist, mit Stimmwucht, Spiellust und Herz am rechten Fleck: Matthias Stockinger hätte als Markgraf Gerold den Lokalbonus als Neunkircher  nicht gebraucht, um vom Publikum so gefeiert zu werden. Nur eine kommt bei der Applauskollekte am Ende noch etwas besser weg: Anna Hofbauer darf als Päpstin tatsächlich als Traumbesetzung gelten. Stimmstrahlend nutzt sie jede Chance ihr Publikum zu fesseln, sie rührt an und singt sich in die Herzen. Also doch: Habemus Mamam!

Weitere Termine: 26., 27., 28., 29. 30. und 31. Dezember; 1. und 2. Januar.

 Moulin Rouge oder spätrömisches Freudenhaus? Historie wird in der  Neunkircher Gebläsehalle auch gerne mal frei und freizügig interpretiert.

Moulin Rouge oder spätrömisches Freudenhaus? Historie wird in der  Neunkircher Gebläsehalle auch gerne mal frei und freizügig interpretiert.

Foto: Jörg Jacobi
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