Zum 500. Todestag Leonardo Da Vinci, der Grenzenlose

Vinci/Amboise · Er wird weltweit fast wie ein Heiliger verehrt. Nun jährt sich Leonardo da Vincis Todestag zum 500. Mal. Eine Spurensuche und ein Blick auf ein entdeckungsreiches Leben.

 Eine neu entdeckte Zeichnung von Leonardo da Vinci, die einen Fötus zeigt. Das Werk ist ab dem 24. Mai erstmals öffentlich zu sehen – nicht in Vinci, sondern im Buckhingham Palast in London.

Eine neu entdeckte Zeichnung von Leonardo da Vinci, die einen Fötus zeigt. Das Werk ist ab dem 24. Mai erstmals öffentlich zu sehen – nicht in Vinci, sondern im Buckhingham Palast in London.

Foto: AP/The Royal Collection Trust

Er blickt mit letzter Kraft zu König Franz I. hoch. Dieser hat seinen Arm unter den sterbenden Körper von Leonardo da Vinci geschoben, als wolle er ihn stützen. Mehrere Menschen stehen um das Sterbebett herum, darunter auch Batista de Vilanis, sein treuer Diener. Das großformatige Bild hat der französische Maler François-Guillaume Ménageot gemalt. Es hängt im Schloss von Amboise. In der Stadt an der Loire ist der Universalkünstler Leonardo da Vinci vor 500 Jahren, am 2. Mai 1519, gestorben. König Franz I. allerdings, das weiß man heute, war damals gar nicht anwesend, er hielt sich in seiner Residenz in Saint-Germain-en-Laye bei Paris auf. Der Monarch hatte den Maler 1516 nach Amboise kommen lassen. Franz I. war Kunstliebhaber und von Leonardo, dem er auf einer seiner Italien-Reisen begegnet war, fasziniert.

Die Reise auf den Spuren von Leonardo da Vinci, dem Schöpfer der weltberühmten Mona Lisa, der heute als Genie gefeiert wird, beginnt in Vinci, einem kleinen Ort mit einigen Tausend Einwohnern in der Nähe von Florenz. Gleich vor dem Metzgerladen hängt die Mona Lisa. Die lokale Bar heißt „Leonardo“, und im Schaufenster eines Haushaltswarengeschäfts steht ein von Kindern gemaltes Bild der Mona Lisa mit dem Verweis „Besser als das Original“. Aus den Uffizien in Florenz wurde das früheste auf Leonardo datierte Werk nach Vinci gebracht. Die Zeichnung namens „8P“ zeigt die Landschaft des Flusses Arno. Der windet sich hier durch die toskanischen Hügel, auf denen Olivenbäume und Weinstöcke stehen. Normalerweise wird die Zeichnung in der Gemäldegalerie in Florenz streng unter Verschluss gehalten. Nun ist sie bis Oktober in dem kleinen Leonardo-Museum in Vinci zu sehen.

Leonardo kam am 15. April 1452 in einem Steinhaus bei Vinci als nichteheliches Kind des Notars Ser Piero und der Magd Caterina zur Welt. Heute kann man das Haus umringt von Olivenbäumen und Rosmarinsträuchern besichtigen, eine kleine Ausstellung gibt es hier auch. Seine Kindheit verbrachte Leonardo mit seinem Großvater Antonio in Vinci, bevor er zu seinem Vater nach Florenz zog – die Stadt der Dynastie der Medici. Der Aufenthalt sollte wegweisend sein. In Florenz arbeitete er in der Werkstatt bei einem der wichtigsten Renaissance-Künstler, Andrea del Verrocchio. Weil aber Mailand noch mehr Einfluss hatte, ging er 1481 dort an den Hof. Gemälde wie „Das Abendmahl“ oder die „Felsgrottenmadonna“ entstanden in der Mailänder Zeit.

Doch Leonardo war weit mehr als nur Maler. Er war schier unersättlich, er wollte alles wissen. Er entwarf Kriegsmaschinen genauso wie Wasserkanäle, er studierte den Tier- und Menschenkörper in unzähligen Studien. Er wollte Flugmaschinen, Schiffe und Gebäude bauen. Er kannte keine Grenzen, daher der Name Universalgenie. Er arbeitete für Päpste, Könige und Herzöge. Er war Bildhauer, Tüftler, Architekt, Ingenieur, Designer und Maler in einem. Vieles blieb unvollendet, trotz – oder gerade deshalb? – wird er fast wie ein Heiliger verehrt. Leonardo fasziniert, weil sein Blick stets in die Zukunft gerichtet war.

Leonardo war 64 Jahre alt, als er mit seinen Schülern Francesco Melzi und Salai sowie seinem treuen Diener Batista de Vilanis in Amboise ankam. In seinem Gepäck hatte er neben zahlreichen Dokumenten und Zeichnungen die Bilder „Johannes der Täufer“, „Anna selbdritt“ – und die um 1503 entstandene „Mona Lisa“, die von König Franz I. erworben wurde und heute der Star im Pariser Louvre ist.

Der junge Regent überließ seinem Gast als Domizil das Schloss Clos Lucé, ein Herrenhaus unweit des Königsschlosses Amboise. In Clos Lucé ist Leonardo da Vinci am 2. Mai 1519 in seinem reich verzierten Himmelbett gestorben. Heute ist daraus ein Pilgerort geworden, zu dem jedes Jahr mehr Besucher strömen. 400 000 Menschen besuchten 2018 in Amboise den Alterssitz des Genies.

Leonardo wurde vier Tage nach seinem Tod in der Stiftskirche Saint-Florentin begraben. Später wurde das Schloss als Königsresidenz aufgegeben und verfiel. Bei Ausgrabungen 1863 entdeckte man ein Grab mit menschlichen Überresten. Heute gehen Forscher davon aus, dass es sich um Leonardos Grab handelte. An der ursprünglichen Grabstelle steht eine Marmorbüste, die Leonardo mit langem Bart zeigt. Seine Überreste wurden in der kleinen Schlosskapelle Saint Hubert bestattet. Nur eine einfache Marmorplatte mit der Inschrift „Leonardo da Vinci“ erinnert daran, dass vor 500 Jahren hier ein Universalgenie gestorben ist.

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