Zum Tod von Komponist Krzysztof Penderecki Der Tondichter „auf unbekannten Wegen“

Krakau · Die Musikwelt trauert um den Komponisten Krzysztof Penderecki. Der polnische „Chopin unserer Zeit“ ist am Sonntag im Alter von 86 Jahren gestorben. Sein Werk nannte er eine „Quelle der schwierigen Hoffnung“.

( Singende Sägen, Sirenentöne, dröhnende Hammerschläge: Mit Geräuschen, die an eine Schiffswerft erinnern, stieg der Komponist Krzysztof Penderecki in den 1960er Jahren zu einem international geachteten Vertreter der musikalischen Avantgarde auf. Zwar verschrieb sich der polnische Tondichter zur Überraschung seiner Bewunderer später der klassischen Harmonielehre. Doch auch seine neuen, religiös inspirierten Werke waren ein Zeichen seiner Rebellion gegen den von den Machthabern in Warschau gewünschten Atheismus. Nach langer schwerer Krankheit ist Penderecki am Sonntagmorgen im Alter von 86 Jahren in seiner Heimatstadt Krakau gestorben.

In Polen gilt der Komponist seit langem als „Chopin unserer Zeit“ und Weltikone der zeitgenössischen Musik. Landesweit berühmt machten Penderecki Werke wie „Agnus Dei“, das er 1981 für die Totenmesse des mit ihm befreundeten Kardinals Stefan Wyszynski schrieb, und „Lacrimosa“, das 1980 bei der Enthüllung eines Denkmals für die 1970 von Polizisten erschossenen Danziger Werftarbeiter uraufgeführt wurde. Beide Kompositionen sind Teil des „Polnischen Requiems“. Dieses Meisterwerk vollendete Penderecki 2005, indem er eine Hommage an den gerade verstorbenen Papst Johannes Paul II. ergänzte. Diesen hatte er 1952 als jungen Priester kennengelernt und mit ihm unter anderem über Kirchenmusik debattiert.

Geprägt hat den Anwaltssohn, der schon als Siebenjähriger erste Stücke schrieb, die religiöse Toleranz in seinem Geburtsort Debica im heutigen Südosten Polens. „Ein jüdisches Städtchen, voll von Anhängern des Chassidismus, und in meiner Familie gab es nicht nur die katholische Tradition, sondern auch die protestantische und armenische“, erzählte er. Ein Großvater ist deutscher Lutheraner, eine Großmutter Armenierin. Diese kulturelle Toleranz findet sich auch in seiner siebten Symphonie „Seven Gates of Jerusalem“, die er 1996 zu den 3000-Jahr-Feiern der Stadt schrieb.

Biblische Texte faszinierten Penderecki schon früh. Als Student vertonte er Psalmen, obwohl solch religiöse Musik damals im kommunistischen Polen verboten war. Seine Musik sei manchmal „etwas gläubiger“ als er selbst, bekannte er. Als ihm die Katholische Universität Lublin 2016 die Ehrendoktorwürde verlieh, betonte er indes: „Meine Kunst ist aus tiefen christlichen Wurzeln gewachsen. Sie strebt danach, den metaphysischen Raum des Menschen wieder aufzubauen, der durch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts erschüttert wurde.“ Kunst solle eine „Quelle der schwierigen Hoffnung“ sein.

Der internationale Durchbruch gelang Penderecki 1960 bei den Donaueschinger Musiktagen, mit „Anaklasis“, einem Werk für Streichinstrumente und Schlagzeug. Die Uraufführung begeisterte das Publikum so sehr, dass es eine komplette Wiederholung des Stücks verlangte. Seither wirkte Penderecki oft in Deutschland. Von 1966 bis 1968 unterrichtete er an der damaligen Folkwang Hochschule für Musik in Essen. Im Auftrag des WDR schrieb er eines seiner bekanntesten Werke, die 1966 zur 700-Jahr-Feier des Doms zu Münster uraufgeführte „Lukas-Passion“.

„Ich liebe es, unbekannte Wege zu gehen“, sagte er einmal über seine Arbeitsweise. Seine Musik hatte eine große Bandbreite, einen Favoriten herauszupicken, fiel ihm schwer. „Ich muss, nicht besonders bescheiden, zugeben, dass ich alle meine Werke liebe“, sagte er. „Es sind Stücke, die ich akzeptiert habe und die mir nahe sind“. Unwichtige Musik hingegen – die würde er gar nicht erst zu Ende schreiben. Seine Musik wurde auch in Filmen verwendet, darunter Stanley Kubricks „The Shining“ und Martin Scorseses „Shutter Island“. Er gewann vier Grammy Awards. Bis ins hohe Alter sprudelten in seinem Kopf die Ideen für Musik. „Ich habe noch Arbeit für die nächsten 20 Jahre“, versicherte er vor gar nicht allzu langer Zeit.

Die deutsche Geigen-Virtuosin Anne-Sophie Mutter bewunderte Pendereckis Metamorphosen. „In der Vielschichtigkeit seiner musikalischen Entwicklung gleicht er dem Maler Picasso“, sagte sie. Wenige Komponisten hätten „so unterschiedliche Gesichter und auch so viel Widersprüchliches kreiert“. An seinem 85. Geburtstag im November 2018 feierte sie ihn gemeinsam mit anderen namhaften Musikern mit einem Konzert in der Warschauer Nationaloper.

  Saarbrücken 2015: Krszystof Penderecki und Robert Leonardy, damals Leiter der Musikfestspiele, nach der Uraufführung eines Trompetenkonzerts.

Saarbrücken 2015: Krszystof Penderecki und Robert Leonardy, damals Leiter der Musikfestspiele, nach der Uraufführung eines Trompetenkonzerts.

Foto: Iris Maurer

Privat genoss der Komponist seinen Landsitz im südpolnischen Luslawice in der Nähe des von ihm gegründeten „The Krzysztof Penderecki European Centre for Music“, das junge europäische Musiker ausbildet. Dort legte er einen Park mit mehr als 1500 Bäumen an. Neben der klassischen Musik war die Gestaltung des Parks seine große Leidenschaft: „Vier Stunden braucht man, wenn man ganz um die fast 30 Hektar herumläuft – das ist eine nette Gymnastik für mich, besonders weil ich nie Sport betrieben habe.“

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