Theater „Korso-op“ lädt zu neuen Theater-Erfahrungen ein

Saarbrücken. · Mobilität ist alles: Beim Stück „BabylonPogo“ des Theaterkollektivs wandert auch das Publikum – durch das Saarbrücker Garellyhaus.

 Erste Probeneindrücke aus „BabylonPogo“.

Erste Probeneindrücke aus „BabylonPogo“.

Foto: Gregor Wickert

 Haken dran und vorwärts! So einfach klingt’s, wenn das Saarbrücker Profi-Theaterkollektiv Korso-op über die zurückliegenden Tage öffentlichen Hickhacks spricht. So einfach ist sie dann aber doch nicht, die räumliche Neueinrichtung der ersten Produktion „BabylonPogo“ im Saarbrücker Garellyhaus. Um „Mensch und Technik“ soll es gehen, um das Anstoßen eines „ethischen Diskurses“, um die Frage: „Was macht Menschsein aus“?

Das ganz große Rad wird also gedreht, ursprünglich war dafür eine architektonisch ebenso imposante Umgebung vorgesehen. Das von Korso-op selbst geschriebene Stück sollte im geschichtsträchtigen Pingusson-Bau gezeigt werden. Nun läuft „BabylonPogo“  in einer eher unscheinbaren verlassenen Druckmaschinen-Halle, in Büroräumen mit niedrigen Decken, kurz, in einer gänzlich anderen Atmosphäre. Das 50er-Jahre-Flair der ehemaligen französischen Botschaft, die hohen Räume, der Park, der mit einbezogen werden sollte, – nein, das lässt sich nicht einfach so ins Garellyhaus rüberkopieren.

Dort erwartet das Publikum die ruppige Leerstands-Atmosphäre eines Kreativzentrums im Werden. Im selben Haus befinden sich nämlich Ateliers, die Experimentierbühne des Staatstheaters Sparte 4 sowie die Korso-op-Probenräume. Ja, das hat was. So gilt: Neue Räumlichkeiten, neues Glück. Schließlich trägt Korso die Mobilität  im Namen. Und sollte „BabylonPogo“ auf Festival-Tournee gehen, wie avisiert, dann wäre aus der aktuellen, aus der Not  geborenen  Anpassung des Konzeptes an die Garellyhaus-Gegebenheiten gar noch eine Tugend zu machen: die Probe aufs Exempel, ob das Stück an sich trägt und überall funktioniert.

Gestern informierte das Kollektiv die Medien über Inhalte, Spielformen und Arbeitsweise. Wie Regisseur Grigory Shklyar erklärte, lassen sich nach dem Spielort-Wechsel jetzt ganz neue „intime Momente“ in das Stück einbauen: Face-to-Face-Situationen zwischen Darstellern und Publikum. Rund 60 Menschen pro Abend werden während der Aufführung zeitweise in fünf Kleingruppen aufgeteilt, um in getrennten Räumen jeweils eine andere persönliche Geschichte zu erfahren. Erlebnis-Splittung also.  „BabylonPogo“ wird auch textlich eine Collage sein: Philosophische Passagen, authentische Aussagen aus Internet-Blogs wurden mit Auszügen aus Falk Richters gesellschaftskritischem Manager-Drama „Unter Eis“ (2004) gegengeschnitten, dessen literarische Qualität ein solides Fundament bietet.

 „BabylonPogo“ ist der erste Teil einer Trilogie, mit 50 000 Euro aus dem Kultusministerium und mit 20 000 Euro aus Lottomitteln gefördert. Es geht also um ein künstlerisches Start-up-Unternehmen. Der  Nucleus der mittlerweile achtköpfigen Gruppe sind der Bühnenbildner Gregor Wickert und dessen Frau Nina Schopka, die bis vor Kurzem noch ein festes Schauspiel-Engagement am Staatstheater hatte. Mit im Team unter anderem: das Staatsthea­ter-Urgestein Elfie Elsner und Markus Müller, der das Neunkircher Musicalprojekt maßgeblich mitträgt. Das Kollektiv hat die klassischen Trennungen der „Gewerke“ am Thea­ter ebenso aufgehoben wie die Hierarchien. Berühmtes Modell: Rimini Protokoll, bereits seit Jahren am Start. Andernorts rollt der Theaterzug eben schneller als im Saarland, dessen Stadtväter, Investoren und Unternehmer offensichtlich noch nicht gemerkt haben, wie chic und wertsteigernd Leerstands-Bespielungen sind.

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