Saarbrücker Konzert Wie lebendig ist Musik auf dem Friedhof?

Saarbrücken · Mit der Wandlung wurde es nichts. Eigentlich hatte das In.Zeit Ensemble geplant, sein Konzept – das Gegenüberstellen und Vermischen komponierter und improvisierter Teile – um das Element der Performance zu erweitern.

Zumindest für sein Konzert „un autre monde“ im Rahmen der Saarbrücker Sommermusik, bei dem auf dem Saarbrücker Hauptfriedhof das Draußen und Drinnen miteinander hätten kombiniert werden sollen: Angedacht war am Freitag eine Bespielung der Neuen Einsegnungshalle sowie der Parkanlage im Sinne eines Wandelkonzerts – das Publikum wäre sozusagen mitgewandelt. Doch wegen des unsicheren Wetters wurde alles in die Halle verlegt. Das war nicht die schlechteste Entscheidung, wäre doch draußen womöglich allein schon von der „Ouvertüre um ein selbstklingendes Becken“ viel verloren gegangen. Das fragile Eröffnungsstück profitierte von der transparenten Akustik des Raums, in dem sich die Musiker rund um die Zuhörer positionierten und mit diesem Quadrophonie-Effekt die einzelnen Klänge sanft in den Fokus hoben.

Überhaupt wurde im Lauf des Abends in weiträumiger Dramaturgie die ganze Halle einschließlich der Empore bespielt. Eine weitere kluge – und nachhaltigere – Strategie fährt das Kleinorchester mit der Entscheidung, weniger Auftragskompositionen zu vergeben und die Ensemblemitglieder Stefan Scheib (Kontrabass, Elektronik) und Wollie Kaiser (Saxofon, Klarinette, Bassflöte) quasi zu Hauskomponisten zu ernennen: Die beiden liefern – bar wohlfeilen Kalküls und vorherhörbarer Beliebigkeit – gehaltvolle Werke zeitgenössischer Tonsprache, die sie den Musikern obendrein auf den Leib arrangieren. Tatsächlich musizierte In.Zeit hier wie aus einem Guss, obwohl mehrere Neuzugänge und Vertretungen mitwirkten – so organisch, dass man kaum auszumachen vermochte, was komponiert und was improvisiert war.

Das Spektrum reichte von gemäßigt modernen kammermusikalisch-sinfonischen Klängen über Neue und Improvisierte Musik bis zu elektronischer Zuspielung, wobei sich das Ensemble gern in Unterformationen, etwa Streichquartett oder Bläsertrio, aufspaltete. Als Inspirationsquellen dienten Gottfried Benn, Karlheinz Stockhausen und Goethes „Faust“, aber auch der Verkehrslärm an der Saar. Und so ging es mal nahezu konventionell zu, dann wiederum dominierten Geräusch und Lautmalerei bis hin zu diffusem Wabern und tierischem Gurgeln, rein akustisch produziert oder elektronisch gesteuert. Mal war das Stimmengeflecht durchsichtig, mal knäulte es sich; mal schwebte die Musik in freier Tempogestaltung dahin, um dann wieder mit ungestümen rhythmischen Attacken Aufmerksamkeit einzufordern. Auch atmosphärisch war dieses Konzert in jeder Hinsicht besonders – den Hin- und Heimweg im Dunkeln wiesen Öllampen.

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