Jazz-Festival Konitz plaudert, spielt — und entschleunigt

Saarbrücken · (uhr) Glücklich darf sich schätzen, wer mit 90 Lenzen musikalisch noch so fit ist. Wie Lee Konitz, der am vergangenen Freitag mit seinem Quartett beim Saarbrücker Jazzfestival im SR-Studio Eins stehende Ovationen erntete. Mit Baseballkappe und Sonnenbrille schlenderte die lebende Saxofonlegende lässig aufs Podium und begann sogleich völlig entspannt mit dem Auditorium zu plaudern und zu scherzen: „Any questions?“, lautete eine als Running Gag kursierende Standardfrage von Konitz. Ebenso cool wie das Erscheinungsbild war die Musik des Altmeisters: Aufs Allerwesentliche reduzierte Einfachheit und Eleganz, aber beseelt mit jeder Note – so lässt sich Konitz‘ Vorstellung auf einen knappen Nenner bringen. Ein unsensibler Klotz, wer bei seinem wunderschönen, mit hauchzartem Vibrato verzierten Altsaxofontimbre nicht ins Schwärmen geriet. Kein Leichtes freilich, diesen ganz und gar auf die Essenz ausgerichteten Musiker zu begleiten. Zumal Konitz sein mit vielen Klassikern gewürztes Programm häufig aus dem Stegreif zu gestalten schien, und zwar live im Dialog mit den Partnern. So gab es zwischen den Titeln schon mal kleinere interne Beratungen, und das Ganze ähnelte einer Jamsession. Etwa auch, wenn Konitz das Saxofon beiseite ließ und sang: Das war zwar gewöhnungsbedürftig, zeugte jedoch – kaum verwunderlich! – gleichfalls von Ausdruck und Charakter. Jedenfalls hatte der Star für alle Eventualitäten gewappnete, adäquate Begleiter mitgebracht: George Schuller (Schlagzeug) und Jeremy Stratton (Kontrabass) erdeten das Konzert höchst aufmerksam und gefühlvoll mit samtpfötigem Swing. Eine Schlüsselfunktion hatte der Pianist Florian Weber inne. Der Echo-Jazzpreisträger 2013 würzte Konitz‘ Saxofonpoesie mit mancherlei Spannungsakkorden, erwies sich als Könner im Fortspinnen der musikalischen Gedanken des Maestros – und vor allem war Weber zur Stelle, wenn der den Spannungsbogen mal abreißen ließ. Webers teils virtuose Tonkaskaden waren ein willkommener Kontrast zu Konitz‘ „Weniger-ist-mehr“. Und krönten einen Abend, der trotz kleinerer Durststrecken denkwürdig war: in seiner Entschleunigung in Verbindung mit der urtümlich jazzigen kommunikativen Grundhaltung.

 Lee Konitz gilt als ein Urgestein des Jazz.

Lee Konitz gilt als ein Urgestein des Jazz.

Foto: gerhard richter

Donnerstag, 2. November, 20 Uhr Leidinger: Renaud Garcia-Fons Trio
Karten: www.jazz-syndikat.de

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