„Raumpatrouille“, „Jerry Cotton“ und 18 Edgar-Wallace-Filme Komponist Peter Thomas ist gestorben

Saarbrücken · Wie viele hunderte Filme, Fernsehspiele, TV-Shows und Werbespots er im Laufe seiner langen Karriere mit seiner Musik veredelt hat? Peter Thomas wird es wohl selbst nicht genau gewusst haben, so viel war es über die Jahrzehnte.

 Peter Thomas mit einem der Strahler aus dem TV-Klassiker „Raumpatrouille“ von 1966.

Peter Thomas mit einem der Strahler aus dem TV-Klassiker „Raumpatrouille“ von 1966.

Foto: picture-alliance/ dpa/Horst Galuschka

Und statt nachzuzählen, saß er sicher lieber am Flügel, bevorzugt an jenem mit Blick auf den Luganer See, und komponierte. Peter Thomas ist nun im Alter von 94 Jahren gestorben. Er war der große Freigeist unter den deutschen Filmkomponisten, eine wandelnde Wundertüte mit Berliner Schnodderschnauze und mit einer höchst produktiven Abneigung gegen Genre-Grenzen und das Handelsübliche.

Bei ihm gingen satter Bigband-Sound und schräge Klänge immer gut zusammen. Hört man sich etwa „Der Hexer“ an, eine seiner 18-Edgar-Wallace-Filmuntermalungen, muss man staunen, wie schräg, parodistisch und schwer beschreibbar dieser Hybrid aus Jazz, Chorgesängen, Frauengeschrei und Schussgeräuschen ist. Eine wunderbar zusammengestoppelte Avantgarde, ausgerechnet in „Opas Kino“, dem vielgeschmähten, das so verschnarcht vielleicht gar nicht war – in jedem Fall nicht so klang, wenn Thomas an Bord war.

Die unsterbliche „Raumpatrouille“

Was kann man herausgreifen aus Thomas' hunderten Kino- und TV-Filmen? Den gepfiffenen „Jerry Cotton“-Marsch aus den deutschen Krimis der 1960er, die versuchten, uns Hamburg als Manhattan zu verkaufen? Oder Big-Band-Funk zur deutschen Fassung des Bruce-Lee-Films „Die Todesfaust des Cheng Li“? Seine Musik zu den TV-Klassikern „Der Alte“ und „Der Kommissar“? Oder seine letzte Arbeit fürs Kino, den Heinz-Becker-Film „Tach, Herr Dokter?“? In jedem Fall kommt man nicht an der „Raumpatrouille“ vorbei, jener deutschen Science-Fiction-Serie von 1966, in der sich die Besatzung der „Orion“ mit einer außerirdischen Invasion herumschlug, mit Knackis im Weltall und sogar auf einem Planeten landete, auf dem Frauen den Ton angeben. Thomas ging hier in die Vollen, kredenzte lässigen Bigband-Jazz, heroische Märsche, schrille Streicher, Zwölftonmusik-Passagen und auch futuristische Disco-Klänge, wenn die Raumfahrerinnen und Raumfahrer am Feierabend im „Starlight Casino“ die Hüfte kreisen ließen. Ein Klassiker der deutschen Filmmusik.

 Die Kultserie mit, von links, Wolfgang Völz, Dietmar Schönherr, Eva Pflug, Friedrich G. Beckhaus und Ursula Lillig.

Die Kultserie mit, von links, Wolfgang Völz, Dietmar Schönherr, Eva Pflug, Friedrich G. Beckhaus und Ursula Lillig.

Foto: dpa/WDR/Bavaria

„Straßenfeger“ und deutscher Grusel

Mit vier hat der kleine Peter Thomas den ersten Klavierunterricht genossen, er orgelt als Jugendlicher in der Kirche und ist begeistert vom Jazz, der beim NS-Regime verhasst ist. Mit 18 wird er im Krieg verwundet und schließlich gefangen genommen. Im Kriegsgefangenenlager gründet er das Kabarett „Dünen-Quintett“ mit Heinz Mudrich, dem späteren Feuilleton-Chef der Saarbrücker Zeitung. Nach dem Krieg spielt er als Pianist in den Berliner Clubs, nimmt sein Musikstudium wieder auf und macht 1953 seinen Abschluss in Tonsatz, Dirigieren, Kontrapunkt und Blasmusik. Er findet Arbeit als Arrangeur beim Rias, das führt ihn zum Fernsehen und schließlich zum Kino. Seine erste Wallace-Musik, für „Die seltsame Gräfin“ von 1961, läutet für ihn ein extrem erfolgreiches Jahrzehnt ein; neben 17 weiteren Wallace-Filmen bis 1971, die er teilweise avantgardistisch untermalt, komponiert er für die großen TV-Straßenfeger „Die Schlüssel“ und „Melissa“, deren Titelmusik als Single ein veritabler Hit wird. Musikalische Genres sind Thomas ebenso unwichtig wie filmische: Er schreibt für Western wie „Der letzte Mohikaner“, Krimikomödien wie „Die Herren mit der weißen Weste“ des Saarbrücker Regisseurs Wolfgang Staudte, für eine Heinz-Erhardt-Komödie und für deutschen Grusel („Die Schlangengrube und das Pendel“); in den 1970ern geht den Wallace-Filmen die Luft aus, Thomas knüpft einigen Softsex-Fummelfilmen wie „Urlaubsreport“ den passenden Klangteppich – bezeichnend, dass die Filme heute vergessen sind, die knackige Musik dazu aber noch Dekaden später als CD herauskam.

 „Der Hexer“, mit einer der schrägsten Peter-Thomas-Musiken.

„Der Hexer“, mit einer der schrägsten Peter-Thomas-Musiken.

Foto: Tobis

Mäßiger Erfolg mit „Lady Di“-Musical

Thomas wendet sich in den 1970ern verstärkt dem Fernsehen zu und arbeitet viel im Krimifach: „Sergeant Berry“, „Derrick“ und „Der Alte“. Dazu Werbung, TV-Shows („Der große Preis“) und auch Musicals: Eines davon feiert im November 2001 seine Uraufführung in der Saarlandhalle in Saarbrücken: „Lady Di“ über die Königin der Herzen, kein rauschender Erfolg. Unser Rezensent fand Thomas‘ Musik ein wenig altbacken und schrieb damals: „Irgendwie klingt’s immer nach ‚Musik ist Trumpf‘ und ‚My Fair lady‘. Thomas hat das wohl verkraftet, gilt er doch damals besonders bei jungen britischen Kolleginnen und Kollegen als lässiger Soundtüftler – die britische Band Pulp etwa leiht sich ein Sample aus der „Raumpatrouille“ und baut darauf ein ganzes Stück auf („This is hardcore“); auch Bands wie Stereolab und Saint Etienne ziehen ihren Hut vor Thomas.

Komponist Peter Thomas ist im Alter von 94 Jahren gestorben.
Foto: Diggler Records

Der nimmt 1999, da ist er Mitte 70, mit der Musik zum Heinz-Becker-Film „Tach, Herr Dokter!“ seinen Abschied vom Kino, bleibt aber präsent – unter anderem durch einen neuen Zusammenschnitt der seligen „Raumpatrouille“, der mit großem durch die Programmkinos schwebt. Die Tricks von damals mögen mittlerweile angegraut sein, Thomas‘ Musik aber klingt lustvoll eigenwillig, verspielt und taufrisch – bis heute.

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