Wider den „real-existierenden Alarmismus“ Köpfe zurechtrücken

Saarbrücken · Kabarettist Dieter Nuhr belässt es in der Saarlandhalle nicht bei Vordergründigkeiten.

Dieter Nuhrs Bühnenausstattung ist minimal, um nicht zu sagen karg: zwei Ständer in der Bühnenmitte – für Mikro und Tablet. Ein schwarz-silbernes Flightcase steht dekorativ dabei. Dass er die Tour zu seinem Programm „Nuhr hier, nur heute“, die am Samstagabend in der Saarlandhalle Station machte, mit fast nichts bestreitet, weiß Nuhr: „Unprätentiös“ und „ohne Scheißdreck“ nennt er das – und dass man „die Fresse des Künstlers“ ja sowieso nicht in riesengroß sehen wolle. Das funktioniert: Ein paar wohldosierte Kraftausdrücke, gleich hat Nuhr das Publikum auf seiner Seite. Wobei man im hinteren Hallendrittel da vielleicht geteilter Meinung ist.

Trotzdem ist der Kabarettist diesmal wieder mit einem politischen Programm zurück und kommentiert erst mal die Tagespolitik: In Saarbrücken bietet es sich natürlich an, die hohe Dichte an saarländischen Vertretern in der neuen Bundesregierung aufs Korn zu nehmen: „Maas wird Außenminister, ist ja klar, dass er hier raus will“, was ihm dann auch die provozierte Publikumsreaktion einbringt: Pfiffe. Es wird ein Abend wider den „real-existierenden Alarmismus“, bei dem Nuhr Pessimisten unnachahmlich nacheinander die öffentliche Wahrnehmung zu Streitthemen wie Pisa-Studie, Terroranschlägen oder Rechtsruck (und die dazu oftmals aus den Augen gelassenen Fakten) in punktgenauen Pointen unter die Nase reibt. „In Europa herrscht seit 70 Jahren Frieden“ und trotzdem: „Wenn wir Nachrichten gucken, haben wir das Gefühl, wir leben an der Front!“ – Natürlich muss man mit Nuhr nicht immer einer Meinung sein. Seine Sprüche über die Feinstaubhysterie etwa greifen zu kurz und lassen künftige Generationen außen vor. Doch sorgen große Teile des Programm nicht bloß für Lacher sondern auch für nachdenkliche Momente.

Ein wenig vordergründige Nostalgie leistet sich Nuhr, als er auf sein 30-jähriges Bühnenjubiläum zu sprechen kommt – jedoch nur um das, was Grantler als „die gute, alte Zeit“ bezeichnen, zu sezieren: Was denn das überhaupt sein solle, fragt er von der Bühne. „Frieher war die Mussik bessa“, kommt die prompte Antwort einer Frau. Nach einer kurzen Übersetzung ins Hochdeutsche ist es dann Nuhr, der ob dieser Kleingeistigkeit einen Anflug von Pessimismus erleidet und mit comichafter Geste konstatieren muss: „Ich rede in den Wind. Bitte leben Sie weiter in dieser Musik-Blase.“

Er ist halt kein Mario Barth, der mit dem immer gleichen, flachen Witzen über Männ- und Weiblein unterhalten will. Kalkulierte Denkanstöße geben und Köpfe zurechtrücken, das will er. Nach gut zwei Stunden sagt er: „Ich weiß, es ist eine Zumutung, das zu sagen, aber die Welt ist heute besser als sie jemals war.“ Durchaus inspirierend.

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