Musik Joy Fleming ist tot, Mannheims „Mama Soul“

Mannheim · () Sie galt als „Mama Soul“ und Pionierin der Blues-Musik in Deutschland: Joy Fleming, stimmgewaltige Sängerin aus Mannheim. Mehr als 50 Jahre lang wirkte sie in der regionalen und bundesweiten Musikszene und riss Zuschauer bei Konzerten mit Witz und Leidenschaft mit. Am Mittwochabend ist die Sängerin im Alter von 72 Jahren in Hilsbach gestorben. „Sie ist auf der Couch friedlich eingeschlafen“, sagte ihr Sohn und Manager Bernd Liebenow gestern.

 Joy Fleming 1975 in Frankfurt: Dort sang sie bei der deutschen Vorentscheidung für den Grand Prix „Ein Lied kann eine Brücke sein“.

Joy Fleming 1975 in Frankfurt: Dort sang sie bei der deutschen Vorentscheidung für den Grand Prix „Ein Lied kann eine Brücke sein“.

Foto: dpa/Heinz Wieseler

  „Musik ist Flucht“, sagte Fleming oft mit Verweis auf ihre schwere Kindheit. Zu Hause habe es mehr Prügel gegeben als Essen. „Wenn ich Blues singe, kommt das Elend so richtig raus.“ Flemings Bandbreite reichte von Pop über Rock und Funk bis zu ihrem geliebten Blues.

  Die vergangenen 40 Jahre lebte die Sängerin auf einem Bauernhof bei Mannheim – zusammen mit ihrem Partner Bruno, zwei Hunden, einer Katze, einem Papagei und vielen Fischen. Obwohl es mit den Jahren stiller wurde um Joy Fleming und sie Auftritte oft im Sitzen absolvierte, dachte sie nie ans Aufhören. Erst im März gab sie in Mannheim ein umjubeltes Konzert. Mit dem im Kurpfälzer Dialekt verfassten „Neckarbrücken-Blues“ setzte die Drei-Oktaven-Sängerin ihrer Heimatstadt Mannheim ein Denkmal.

Ins internationale Rampenlicht war Fleming 1975 beim Grand Prix d’Eurovision getreten. Mit dem deutschen Wettbewerbsbeitrag „Ein Lied kann eine Brücke sein“ sammelte sie in Stockholm zwar wenige Punkte, aber eine Menge persönliches Renommee. Die Presse feierte sie als Weltstar aus der Provinz.

Im pfälzischen Rockenhausen war die Tochter eines Werbekaufmanns und einer Stenotypistin als Erna Raad zur Welt gekommen. Nach dem Umzug nach Mannheim habe sie dort keine besonders schöne Kindheit erlebt. „Wir wohnten neben dem Puff, und ich kann mich erinnern, wie wir als Kinder von den Prostituierten Brot bekommen haben“, erzählte sie einmal. Entdeckt wurde ihr Gesangstalent auch von den stationierten US-Soldaten. Nach der Lehre als Verkäuferin sang sie mit 16 Jahren Jazz und Blues in Bars. Den Namen „Fleming“ erhielt sie von der Plattenfirma, aber den Vornamen „Joy“ wählte sie selbst: „In einem Ami-Club klammerte sich ein kleines schwarzes Mädchen an mein Bein, die hieß Joy. Das war’s.“

Über das Altern sagte Fleming: „Ich hatte einen Horror vor der Zahl 30 – und ab dann nie wieder.“ Hauptsache sei doch, dass die Stimme toll sei. „So lange die Leute sagen ‚Die Alte, die fetzt da oben rum, es ist ein Traum, der Frau zuzuhören’ habe ich überhaupt keine Bedenken, weiterzumachen.“

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