Klimagerechte Zeitgeist-Literatur Mit viel Wasser im Erzählgetriebe

Saarbrücken · John von Düffel liefert in seinem neuen Roman „Der brennende See“ gefällige Zeitgeist-Literatur. Er ist einer der wichtigsten Autoren, die zur Messe „Hombuch“ erwartet werden.

 Der brennende See John von Düffel Dumont

Der brennende See John von Düffel Dumont

Foto: Dumont

Es ist erst April und doch schon wieder erschreckend warm. Und viel zu trocken. Der titelgebende Baggersee in John von Düffels neuem Roman ist vom Klimawandel jedoch bislang nur wenig betroffen; er verdankt seine Entstehung einer Grundwasserquelle. Das macht ihn für viele Menschen in der kleinen Stadt irgendwo in Deutschland zu einer Idylle. Keine „Postkarten-Schönheit“ zwar, aber inmitten staubtrockener Felder ein guter Ort zum Grillen und Schwimmen.

Weil der Mensch aber ist, wie er ist, steht es um die Zukunft des Sees schlecht. Abfälle bleiben liegen, alte Fahrräder werden im Wasser entsorgt. Auf der anderen Seite stehen Menschen wie Matthias, ein gutherzig-sensibler Familienvater, der den See qua Privatisierung retten will. Vielen in der Stadt gilt Matthias deshalb als „Öko-Kapitalist“, auch seiner Tochter Julia, der Anführerin der hiesigen Klimaaktivisten, die sich mit ihrer Radikalität immer mehr von ihren Eltern entfernt.

Aber Matthias und seine 16-jährige Tochter Julia sind nur Nebenfiguren in diesem Roman, nicht anders als der Rest der vierköpfigen, mit Blick auf den See wohnenden Familie: Vivien, die Mutter mit ihrem vermeintlich heimlichen Doppelleben, oder Marvin, der mit seiner Hyperempathie etwas unheimlich wirkende jüngste Sohn. Düffels Heldin heißt Hannah und war zu Schulzeiten Viviens beste Freundin. Die Enddreißigerin ist in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, um den Nachlass ihres kürzlich verstorbenen Vaters zu regeln, ein mäßig erfolgreicher Schriftsteller, der zu Lebzeiten nichts lieber tat, als Tag für Tag in besagtem Baggersee seine Runden zu drehen.

Nun ist John von Düffel, wie seine Leser wissen, seit seinem Romandebüt „Vom Wasser“ (1998) auf jegliche Art von nass und Geschichten vom Schwimmen abonniert. Sein neues Werk irritiert zunächst durch klischeehafte Figuren wie die altkluge, vorzeitig erwachsen gewordene Julia. Mögen sich ihre Eltern in bürgerliche Kalamitäten verstricken, Julia geht es ums große Ganze, um „Mobilisierung“, um „Klimagerechtigkeit“! Auch ist allzu rasch klar, worum es dem Autor geht: um den Generationenkonflikt unserer Tage, bei dem die um ihre Zukunft besorgte „Generation Greta“ durch deutsche Innenstädte marschiert, Seite an Seite mit sich wieder jung fühlenden ehemaligen Anti-AKW-Aktivisten.

Zu Letzteren gehörte auch Hannahs Vater, der, wie sich herausstellt, kurz vor seinem Tod noch einmal den Glauben an die Veränderbarkeit der Welt zurückgewonnen hat; er fungiert als eine Art Stellvertreter Düffels im Roman. „Es schien“, beobachtet Hannah, als sie auf der Suche nach Julia in eine FFF-Demo gerät, „als hätten sich die Jüngsten und die Ältesten zusammengetan, um gegen die mittlere Generation zu demonstrieren, die das System am Laufen hielt und somit verantwortlich war für den Zustand der Welt. Doch wahrscheinlich mussten die meisten Eltern schlicht arbeiten und konnten deshalb nicht hier sein.“

Zu dieser mittleren, privilegierten Generation gehört auch Hannah selbst, die auf den 320 Seiten wohl nicht nur aus Trauer, sondern auch aufgrund einer gewissen für ihr Leben charakteristischen Verantwortungslosigkeit, gefühlt ständig betrunken oder verkatert ist. Genau weiß man es aber nicht, weil Hannah als Protagonistin fade bleibt. Über ihr Leben erfährt man kaum mehr, als dass sie nach der Beerdigung ihres Vaters mit dem Anwalt der Familie, betrunken natürlich, im Bett gelandet ist – was das Gespräch mit diesem zwielichtigen Dr. Lüders über den letzten Willen ihres Vaters nicht einfacher macht.

Dieser eröffnet Hannah in einem der vielen papierenen Dialoge in diesem Roman, ihr Vater habe sie kurz vor seinem Tod noch zugunsten einer Stiftung enterbt. Wie es dazu kam und was es mit der geplanten Stiftung auf sich hat, will der Anwalt aber nicht sagen. Wenig überraschend fühlt sich Hannah schlagartig tief verletzt; dabei war sie eben noch wild entschlossen, das Erbe gar nicht anzunehmen.

Hannahs Suche nach Antworten – Woher der letzte Sinneswandel ihres Vaters? Wer ist die junge Frau, die sie in seiner Wohnung auf einem Foto mit ihm entdeckt hat? Seine Pflegerin, Geliebte oder gar ihre bislang unbekannte Halbschwester? Und hat sie etwas mit dem geänderten Testament zu tun? – treibt den Roman zwar spannungstechnisch an. Aber wirklich plausibel wird nie, warum Lüders, Vivien und Matthias entscheidende Informationen vor Hannah zurückhalten, weshalb Düffels Erzählmaschinerie trotz der routinierten Schreibe ins Stottern gerät. Fazit: „Der brennende See“ ist wenig mehr als gefällig zu lesende Zeitgeist-Literatur.

 Im Sommer lässt sich in einem Baggersee die Hitze aushalten – im Roman „Der brennende See“ wird das kühle Nass allerdings von „Öko-Kapitalisten“ und der „Generation Greta“ ideologisch umkämpft. 

Im Sommer lässt sich in einem Baggersee die Hitze aushalten – im Roman „Der brennende See“ wird das kühle Nass allerdings von „Öko-Kapitalisten“ und der „Generation Greta“ ideologisch umkämpft. 

Foto: dpa/Sebastian Gollnow
 Der Autor John von Düffel kommt nach Homburg.

Der Autor John von Düffel kommt nach Homburg.

Foto: picture alliance / Jens Kalaene//dpa Picture-Alliance / Jens Kalaene

John von Düffel: Der brennende See. Roman. Köln, DuMont Buchverlag, 320 Seiten, 22 Euro.
Lesung bei der Hombuch am Donnerstag, 10. September, um 17 Uhr, im Siebenpfeifferhaus.

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