„Jacky“ in Venedig: First Lady im Ausnahmezustand

Venedig · Viel Applaus gab es gestern beim Festival in Venedig für Natalie Portman, die im Wettbewerbsfilm „Jacky“ die Gattin und Witwe John F. Kennedys spielt – doch vollends überzeugt sie nicht.

Ginge es nach dem Applaus, hätte Natalie Portman die Auszeichnung als beste Darstellerin schon sicher. Große Teile des Publikums klatschten begeistert nach Pablo Larraines Wettbewerbsfilm "Jackie", in dem die Schauspielerin die Titelrolle verkörpert: Jackie Kennedy, die Gattin von US-Präsident John F. Kennedy. Aus ihrer Geschichte macht der chilenische Regisseur ("El Club") keine geradlinige Biografie; ausgehend von einem Interview kurz nach der Ermordung ihres Mannes, lässt der Film vor allem die Ereignisse rund um das Attentat 1963 in Dallas Revue passieren. Die sind im Kino schon vielfach beleuchtet worden - in "Jackie" aber verschiebt sich der Fokus auf die bewunderte First Lady: Trauma und Trauer, die Wirkung und das Funktionieren in der Öffentlichkeit in dieser Ausnahmesituation - ein interessanter Aspekt eigentlich. Doch man hat nicht nur den Eindruck, dass in diesem Porträt, das eine berechnendere, unsympathischere Seite nicht ausspart, nach einer Stunde eigentlich alles gesagt ist. Auch Portman kann nicht völlig überzeugen. Restlos in der Rolle zu verschwinden gelingt ihr nicht. So bleibt der Eindruck einer Schauspielerin, die sich anstrengt, möglichst perfekt das Original nachzustellen.

Ohne jede Anstrengung, einfach durch Anwesenheit hätte auch Terrence Malick einen großen Auftritt haben können. Doch der öffentlichkeitsscheue US-Regisseur schickte lieber zwei Produzenten nach Venedig, um für seinen Wettbewerbsbeitrag "Journey of Time" die Stellung zu halten. Wie in "The Tree of Life" und eigentlich all seinen anderen Werken treiben Malick darin die großen Fragen der Existenz um - wenn auch in Gestalt einer Doku, in der Cate Blanchett mit raunendem Off-Kommentar immer wieder die Mutter, die Schöpferin allen irdischen Seins, anspricht.

Ein eindrucksvoller, majestätisch überhöhter Bilderstrom: Urknall, Lavaströme, Zellen, Quallen, Tiere, Elemente, Dinosaurier, Urmenschen, Zivilisation. "Journey of Time" packt nicht weniger als die Entwicklung der Welt in einem Best-Of-Schnelldurchlauf in 90 Minuten. Antworten auf die großen Rätsel unserer Existenz kann Malick nicht geben. Er wundert sich vielmehr und bestaunt die Schönheit der Natur und des Lebens. Wer sich am Hang des Regisseurs zur esoterischen Philosophiererei nicht stört, der staunt da gerne mit.

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