Kunst am Saarbrücker Fernbusbahnhof Ist’s ein Trost, von hier bald wegzukommen?

Saarbrücken · Der Wettbewerb zur künstlerischen Gestaltung des Saarbrücker Fernbusbahnhofs ist entschieden – den Ort zu retten, vermag er nicht.

 Gerade im Sommer wird der Saarbrücker Fernbusbahnhof mangels schattiger Sitzmöglichkeiten schnell zur Asphaltwüste.

Gerade im Sommer wird der Saarbrücker Fernbusbahnhof mangels schattiger Sitzmöglichkeiten schnell zur Asphaltwüste.

Foto: Rich Serra

Wer zum ersten Mal den Saarbrücker Fernbusbahnhof betritt, den muss das Entsetzen packen. Dieser „Bahnhof“ ist einer der ödesten öffentliche Orte der Landeshauptstadt. Im Wesentlichen besteht er aus einer riesigen leeren Asphaltfläche, an deren Rändern sich die allernotwendigsten Infrastruktur-Bauten drängen: Zur Rechten drei gläserne „Fahrgastunterstände“, die viel zu wenig Sitzplätze und im Sommer kaum Schutz vor Sonne bieten. Zur Linken steht, gefühlt meilenweit entfernt von diesen Haltenstellen, ein Toiletten-Container, der an Behelfsunterkünfte für Flüchtlinge denken lässt.

Betritt man den Platz vom Haupteingang an der Dudweiler Straße aus, muss man seinen womöglich breiten Rollkoffer an den Prostituierten der sogenannten „Versorgungsstation“ vorbei über einen viel zu schmalen, von Pollern begrenzten Bürgersteig hinter sich herziehen. Viele Reisende sind clever genug, sich gleich dort, wo sich der Platz öffnet, unter den einzigen schattenspendenen Baum zu flüchten, um dort auf alten, zubetonierten Blumentrögen oder gleich auf dem Rasen auf ihren Urlaubsbus zu warten. Der von Verkehrsschildern und Schranken umgebene Pavillon gleich daneben stammt noch aus einer Zeit, als das Areal ein PKW-Parkplatz war. Jeder Quadratzentimeter hier strahlt die Notlösung aus, die dieser Fernbusbahnhof darstellt. Als das Fernbus-Geschäft infolge der Liberalisierung 2014 Fahrt aufnahm, suchte die Stadtverwaltung, die das offenbar nicht hatte kommen sehen, verzweifelt nach einem zentralen Platz. Um dann diesen hier dem Parkplatz-Monopolisten Q-Park, dem sie sich bekanntlich auf 50 Jahre verschrieben hatte, zur Nutzung abzuhandeln.

Was die Stadtplanung an Platzgestaltung dann versäumt hat, versucht man jetzt mit Kunst im öffentlichen Raum zu retten. Auf Vorschlag der städtischen Kunstkommission hatte man im Frühjahr einen Künstlerwettbewerb ausgeschrieben. Fünf Künstler beziehungsweise Künstlerteams wurden eingeladen, einen Entwurf anzubieten, der den Platz ästhetisch und am besten auch noch funktional aufwertet. Und das mit einem bescheidenen Budget von 50 000 Euro für Umsetzung inklusive Künstlerhonorar. Man staunt, dass dabei durchaus interessante Ergebnisse herausgekommen sind. Als Sieger kürte die Preisjury Ende Juni Ralf  Werner, Professor für Bildnerisches Gestalten an der HBK Saar, der einen Entwurf einreichte, der ebenso minimalistisch wie poetisch ist. Auf das Dach des Einfahrt-Pavillons will er dreidimensionale metallene Buchstaben montieren, die wie ein Vexierspiel wirken. Je nach Standort liest man dann die Worte „VON HIER“ oder „NACH DORT“.

Künstlerisch überzeugend gelinge es Werner, mit diesem Wortspiel das Wesen des Reisens und Facetten von Weggehen & Wiederkehren umzusetzen, lobte die Jury aus Kunst- und Architektursachverständigen unter Vorsitz des hiesigen Landschaftsarchitekten Hanno Dutt. Verdientermaßen erhielt die Saarbrücker Künstlerin Leslie Huppert eine lobende Erwähnung. Sie wollte einen echten Reisebus in Schräglage mitten auf den Platz montieren und mit Beleuchtung, Graffiti, Klangkunst versehen. Dieser „abhebende, fliegende Bus“ hätte ein optisch stärkeres Zeichen abgegeben, das zum trashigen Charakter des Platzes gepasst und sogar noch Unterschlupf gebotenhätte.

           Ralf Werners Preisträgerentwurf sieht auf dem Kassenhäuschen einen Schriftzug vor, der vexierbildartig je nach Perspektive „von hier“ oder „nach dort“ bildet.

Ralf Werners Preisträgerentwurf sieht auf dem Kassenhäuschen einen Schriftzug vor, der vexierbildartig je nach Perspektive „von hier“ oder „nach dort“ bildet.

Foto: Ralf Werner/Kulturamt Saarbrücken

Im Herbst, wenn Ralf Werners Wortspiel von den städtischen Gremien abgesegnet und umgesetzt sein wird, wird es Reisenden, die an ihm im Bus vorbeifahren, sicher erfreuen. Und doch läuft es den ursprünglichen Intentionen von Kunst im öffentlichen Raum, wie sie auch in den städtischen Richtlinien festgelegt sind, zuwider. Denn diese wollten genau verhindern, dass Kunst als nachträgliche Reparatur oder (wie in diesem Fall sogar eher) nur als Trostpflaster eingesetzt wird. Vielmehr, so der Plan, sollten Künstler bei Bauprojekten von Anfang an integrativ mit Architekten zusammenarbeiten. Letztere hatte sich die Stadtverwaltung hier aber ganz gespart, hätte diese aber gebraucht, um einen Fernbus-Bahnhof zu gestalten, der einer Landeshauptstadt als Visitenkarte würdig gewesen wäre. So mag sich der Fernbusreisende angesichts des Wortspiels mit dem Gedanken trösten, dass er „von hier“ bald zu einem schöneren Ort kommt. Und sei es nur nach Straßburg. Dort kann er etwa am Fern- und Touristenbus-Bahnhof am Parc de l‘Etoile erleben, wie man mit schlichter, aber guter Gestaltung, mit vielen Sitzmöglichkeiten und Grün schon bei der Ankunft Urlaubsgefühle wecken kann.

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