Ironisch, exzessiv – und unberechenbar

Saarbrücken · Bernd Begemann kommt erst live richtig zu sich selbst. In der vollbesetzten Sparte 4 gab der Hamburger Pop-Alleinunterhalter drei Stunden fast alles.

 Lässt gerne die Sau raus: Bernd Begemann. Foto: Stage Pictures

Lässt gerne die Sau raus: Bernd Begemann. Foto: Stage Pictures

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Das passiert in der Sparte 4 so gut wie nie, dass ein Singer/Songwriter zum Mitsingen aufruft. Und dann noch so banale Worte wie "Liebling" und "uaouauao" - und das gleich beim zweiten Stück. Doch Bernd Begemann, der aus einem ostwestfälischen Kurort stammende Hamburger, traut sich so ziemlich alles. Außerdem ist er der begnadete Alleinunterhalter, ein Ironiker erster Güte. Man kann sich nie sicher sein, wo er's noch meint, wie er's sagt, und wo die Parodie beginnt. Bei einem Parodisten macht man, schon um kein Spaßverderber zu sein, gerne mit.

"Eine kurze Liste mit Forderungen", wie seine neue CD heißt, die ihn auf Tour und am Samstag auch nach Saarbrücken brachte, ist weder kurz, noch Liste, noch Forderungen, sondern eine Sammlung von 28 Songs, die überwiegend von der Liebe handeln. Oder was man dafür hält. Denn oft schürft Begemann Gold im Scheitern dieser Liebe, in Beziehungsgesprächen, kurz bevor "sie" den Umzugswagen anrollen lässt, und findet dennoch immer wieder kleine Trüffel des Glücks. "Ich werde Dich lieben… und pünktlich sein", trumpft Begemann da auf, mit Schlager-Versprechen, gefolgt von seufzenden Mitleidsbekundungen für Kollegen wie Helene Fischer und Freddy Quinn, die doch alle lieber Jazz singen wollten. Für Begemann die "verlogendste" Art der Musik, weil die anderen bei Soloausflügen nur Interesse heucheln.

Kein anderer schweift in seinen Songs in solch exzessive Solo-Exkurse ab wie er selbst. Mittendrin covert er mal eben die schlechten Hits der 80er, reflektiert das Gehabe und die Posen der Pop-Branche und kokettiert mit den eigenen, erzählt alltägliche Geschichten, bei denen beim Zuschauer sofort das Kopfkino loslegt. Gerade diese Unberechenbarkeit macht den Erlebnis-Wert seiner Live-Auftritte aus. Sie sind sehr viel spannender als der durcharrangierte Pop-Sound seiner Konserven mit der Band "Die Befreiung".

Auf der Bühne lässt der korpulente BB die Sau raus, rotzt, röhrt und säuselt ins Mikro, schrammt und swingt, auch mal fast tonlos ganz ohne Verstärkung, die E-Gitarre wie eine Kettensäge. Drei Stunden hält er das durch. Danach ist Begemann "bestimmt um ein Kilo leichter" - und das Publikum befreit und erschöpft.

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