In Musikverlagen geht die Zukunftsangst um

Saarbrücken · Ein vorgestern ergangenes Gerichtsurteil scheint die Position musikalischer Urheber, ob Komponisten, Texter oder Bands, zu stärken. Die Verlage sehen die Sache ganz anders. Zu Recht?

Nach den Buchverlagen trifft es nun die Musikverlage: Das am Dienstag ergangene mutmaßlich letztinstanzliche Urteil des Berliner Kammergerichts, demzufolge Musikverlage nicht an Einnahmen aus Urheberrechten von Komponisten oder Textern zu beteiligen sind, folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Sachen Buchverlagen. Der BGH hatte unlängst entschieden, dass diese nicht mehr an Vervielfältigungserlösen urheberrechtlich geschützter Werke zu beteiligen sind. Diese stünden alleine den Autoren zu. Erwischt es nach der Literatur- jetzt die Musik-Branche? Droht damit ein Flächenbrand auf breiter Front?

Im Berliner Fall, dem die Klage zweier Musiker der Band "Das-Ich" gegen die Verwertungsgesellschaft Gema zugrunde lag, war die Streitsumme gering. Sie lag unter 10 000 Euro. Der Ex-Piraten- und heutige Grünen-Politiker Bruno Gert Kramm und sein Bandmitglied Stefan Ackermann hatten dagegen geklagt, dass die Gema ihre Vergütungsanteile um den sogenannten "Verlegeranteil" gekürzt hatte. Berlins Kammergericht, das BGH-Urteil vor Augen, folgte dem. Also muss die Gema nun die Verlegerpauschale an "Das-Ich" rücküberweisen. Musikverleger würden in diesen digitalen Zeiten sowieso überflüssig, hatten beide argumentiert.

Beim Deutschen Musikverlegerverband (DMV), in dem etwa 400 Musikverlage organisiert sind (die rund 90 Prozent des Gesamtumsatzes machen), reagiert man "mit blankem Entsetzen" auf das für die Verlage "existenzbedrohende" Urteil, wie es in einer ersten Stellungnahme heißt. Der Branche brächen "schlimmstenfalls 80 Prozent ihrer Umsatzerlöse weg", meinte DMV-Geschäftsführer Heinz Stroh gestern gegenüber der SZ. Allerdings hofft Stroh, dass im Zuge der vom Bundesjustizministerium betriebenen Urhebervertragsrechtsnovelle die Frage der Verlegerbeteiligung gesetzlich geregelt und das Kramm-Urteil mithin künftige Gema-Ausschüttungen nicht tangieren werde. "Dann würde das jetzige Urteil sich nur auf jetzige, bis 2012 zurückreichende Rückforderungen an die Musikverlage auswirken", so Stroh.

Hingegen prophezeit der DMV-Geschäftsführer verheerende Folgen für die Musikverlage (und mittelbar aus seiner Sicht auch für die gesamte Musikbranche), falls die von Justizminister Heiko Maas (SPD) betriebene Urhebervertragsrechtsnovelle auf sich warten lasse. Dann könnten viele Verlage pleitegehen. Stroh wehrt sich gegen die vom Ex-Piraten Kramm auf dem Klageweg angezettelte Diskussion über Sinn und Nutzen der Musikverlage für die Kreativen. "Niemand zwingt Komponisten oder Texter, sich einen Verlag zur Wahrung seiner Urheberrechte zu suchen", meint er. Schon heute hätten etwa 20 Prozent aller Urheber keinen Verlag und strichen von der Gema sämtliche Tantiemen ein. Stroh stellt allerdings die Gegenfrage, weshalb die Mehrheit einen Verlag als Rechteverwerter bevorzuge und dafür finanzielle Abstriche in Kauf nehme (sie liegen bei 30 bis 40 Prozent).

Und gibt selbst die Antwort: "Verlage kontrollieren weltweit über kooperierende Sub-Verlage jede Nutzung und Verwertung eines Stücks, das kann kein Künstler leisten."

Ins gleiche Horn bläst naturgemäß die Gema. Auf ihrer Internetseite wird der Komponist und Gema-Aufsichtsratsvorsitzende Enjott Schneider mit den Worten zitiert: "Autoren und Verleger sitzen bei der Gema sowie in nahezu allen anderen Verwertungsgesellschaften gemeinsam an einem Tisch - weil sie sich gegenseitig brauchen."

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