Im Glashaus

Saarbrücken · Das Glasbläser-Handwerk hat in unserer Region eine jahrhundertelange Tradition. Die Schau „Altes und neues Glas“ im Museum für Vor- und Frühgeschichte zeigt antike Ausgrabungsstücke im spannenden Austausch mit zeitgenössischem Glas-Design aus der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK), ergänzt durch Arbeiten der „Subjektiven Fotografie“ zum Thema Glas.

 Ein Blick auf die große Holztafel mit Hunderten von Glasobjekten. Fotos: Iris Maurer

Ein Blick auf die große Holztafel mit Hunderten von Glasobjekten. Fotos: Iris Maurer

"Ahhh. . ." - entfährt es dem Besucher beim Betreten der Glas-Ausstellung im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Saarbrücken. Es funkelt und glänzt, auf einer aus großen, rohen Bauholzplatten zusammengestellten, meterlangen Tafel sind Hunderte von Glasobjekten aufgebaut. Es wirkt wie eine Kunst-Installation. Gläser, Karaffen, Schalen, Pokale, Vasen in vielen Größen und Farben haben die Ausstellungsmacher - eine Kooperation aus Museum, Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) und Landesdenkmalamt - hier nach den Workshops gruppiert, in denen sie entstanden sind. Mit diesem "Werkstattcharakter", wie Andreas Brandolini es nennt, nimmt man Bezug auf die Entstehung der Objekte, die allesamt in den Werkstätten des Centre International d'Art Verrier (Internationales Zentrum für Glaskunst) im lothringischen Meisenthal entstanden sind. Dort bietet Brandolini, Professor für Produktdesign an der HBK, seit über 20 Jahren Projekte und internationale Workshops für Glas-Design an. Entwürfe, die in diesen Themen-Projekten entstehen, werden in Meisenthal von professionellen Glasbläsern umgesetzt. Die besten Ergebnisse aus 13 Workshops sind nun in Saarbrücken zu sehen - 646 Glas-Objekte.

Es ist das letzte Wintersemester für Brandolini, Gründungsmitglied der HBK, der nach 27 Jahren in den Ruhestand geht. Er hat das Glaskunstzentrum Meisenthal als dessen langjähriger Art Director maßgeblich mitentwickelt und in seine Lehre integriert. So ist die HBK heute eine der wenigen Hochschulen in Deutschland, die Glas-Design überhaupt anbieten. Und so ist diese Schau auch als Würdigung des Produktdesigners zu verstehen, der sich lange zusammen mit dem bereits emeritierten François Burkhardt dafür engagierte, die Glasmacher-Tradition der Region zu pflegen und aus dem historischen Formenreichtum Neues, Innovatives mit seinen Studierenden zu entwickeln. Eine Auswahl von Glas-Arbeiten Brandolinis sind an den Kopfwänden des ersten Raums zu sehen. Vor dezentem Blau kommen die teils bunten, filigranen Stücke bestens zur Geltung.

Man muss sich Zeit nehmen, die Objekte zu studieren. Vor allem im Raum mit den im Vergleich wenigen antiken Glas-Kostbarkeiten. Dort hat der Archäologe Thomas Martin verzierte Gläser und Vasen, Glas-Urnen, Amphoren und Glas-Fragmente aus der Altertümersammlung des Saarlandes zusammengetragen, die allesamt aus saarländischen Grabungen stammen. Viele von ihnen wurden zwischen 2007 und 2014 in Schwarzerden auf einem gallo-römischen Gräberfeld gefunden und werden nun erstmals präsentiert. Die jüngsten sind um 400 nach Christus entstanden. Dankenswerterweise werden die antiken Objekte im Kontext ihrer Fundsituation präsentiert. So ist etwa eine Glasurne mitsamt anderen Beigaben und dem sie schützenden Stein-Sarkophag, in dem sie gefunden wurde, ausgestellt.

Reichtum der alten Formen

Das antike Glas, platziert im Herzstück der Schau, schlägt einen Bogen zum zeitgenössischen Design. Man erkennt, dass der 3500 Jahre alte Werkstoff nichts von seiner Faszination eingebüßt hat und staunt über die Fertigkeiten antiker Glasmacher, deren Techniken sich gar nicht so sehr von der modernen unterscheiden. Die jungen Glasdesigner schöpfen aus dem Reichtum historischer Glasmacher-Formen, wie sie in Meisenthal gesammelt werden. Eine Vitrine und ein Video zeigen die verschiedenen Objekte, die aus einer einzigen Form entstehen können.

Auf den "Workshop-Tischen" liegen zudem kurze Beschreibungen des jeweiligen Projektes. Da geht es beispielsweise um die Weinkultur. Zu sehen sind ungewöhnliche Weinbehältnisse, die nach der intensiven Beschäftigung mit Weinanbau und -herstellung - inklusive Verkostung - entstanden sind. Im Katalog werden die Flaschen und Karaffen gefüllt gezeigt, so dass man den Wein nicht nur sehen, sondern geradezu riechen und schmecken kann. Ebenso beim Thema "Sternegastronomie", entwickelt im Austausch mit einem Sternekoch. Zugegeben, man steht erst etwas ratlos vor den seltsam anmutenden Objekten, deren Gebrauch sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Aber nimmt man den Katalog zur Hand, bekommen die Gefäße eine plausible Funktion: Da werden Fischköpfe in speziellen Kugelformen auf Soßen drapiert, es steht ein Spargel in einer Vase inmitten einer roten Flüssigkeit. Eiswürfel tropfen langsam in eine Essenz in einem dafür geformten Glas, Muscheln drapiert man auf Etagèren.

Man hätte diese Beispiele der tatsächlichen Gebrauchstauglichkeit der Objekte vielleicht in der Schau zeigen können. Doch die Kuratoren entschieden sich, die einzelnen Objekte für sich wirken zu lassen. Zu Recht, denn mehr Information hätte die Schau überfrachtet.

Zumal der Betrachter auch noch dazu angeregt wird, sich mit 22 fotografischen Arbeiten von Edith Buch-Duttlinger, Monika von Boch und Kilian Breier - allesamt Schüler Otto Steinerts und Protagonisten der "Subjektiven Fotografie" - auseinanderzusetzen. Es sind experimentelle Arbeiten aus der fotografischen Sammlung des Saarlandmuseums, die sich mit dem Material Glas beschäftigten. Die Fotografien, die die Lichtbrechungen, den Glanz und die Schönheit des Werkstoffes reduziert und verfremdet in Schwarz-Weiß abbilden, sind eine überraschende Ergänzung. In ihrer Detailverliebtheit und ihren ungewöhnlichen Perspektiven erweitern sie den Blick auf die ausgestellten Glasobjekte.

Läuft bis zum 5. März.

 Eine Steinkiste aus Kalktuff mit Grabbeigaben, ein Fund vom gallo-römischen Gräberfeld in Schwarzerden (um 50 nach Christus).

Eine Steinkiste aus Kalktuff mit Grabbeigaben, ein Fund vom gallo-römischen Gräberfeld in Schwarzerden (um 50 nach Christus).

Museum für Vor- und Frühgeschichte am Saarbrücker Schlossplatz. Di-So 10-18 Uhr. Mittwochs 10-22 Uhr.

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