Neu im Kino Im finsteren Reich von König Grusel

Saarbrücken · Ein gutes Jahr für Stephen King. Der Autor ist mit 70 Jahren so produktiv wie stets – und mit „Es“ startet eine der besten Verfilmungen seit langem.

 Grinsen des Todes: Bill Skarsgard als Clown „Pennywise“ in „Es“ von Regisseur Andy Muschietti .

Grinsen des Todes: Bill Skarsgard als Clown „Pennywise“ in „Es“ von Regisseur Andy Muschietti .

Foto: Warner Bros./Brooke Palmer

Das ist so ein Satz, der einen bis zum Nachruf verfolgt. Seine Arbeit sei das literarische Gegenstück zu einem „Bic Mac plus Pommes“, hat Stephen King einmal gesagt. Das meinte er vielleicht ironisch; aber es war willkommene Munition für jene Kritiker, die den Amerikaner für einen schnöden Fließbandschreiber halten.

Zumindest die Quantität ist unstrittig: Dutzende Romane hat der 70-Jährige geschrieben, Kurzgeschichten, zwei Sachbücher über das Grusel-Genre, Gedichte, Drehbücher. Die Gesamtauflage liegt bei 400 Millionen Büchern, kein lebender Autor findet seine Werke im Kino oder im Fernsehen so oft wieder wie King. Kürzlich lief „Der dunkle Turm“, die Kino-Adaption einer epischen Fantasy-Reihe, morgen startet ein Film, dessen enormer Erfolg die Studio-Erwartungen wohl noch übertroffen hat: „Es“ erzählt von einer Gruppe von Freunden im US-Hinterland, die sich gegen das Grauen schlechthin zur Wehr setzen müssen. Eine Schreckensgestalt in Form eines Clowns tötet seit Jahrhunderten alle 27 Jahre Kinder in einem kleinen Ort. Ein Stoff, der offensichtlich einen Nerv trifft. „Es“ wird in den USA mehr als 300 Millionen Dollar einspielen (schmales Budget: 35 Millionen), weltweit wohl weit mehr als eine halbe Milliarde.

Kings Vorlage von 1986 wurde schon 1990 erfolgreich als Zweiteiler fürs Fernsehen adaptiert – seine besten Werke sind so zeitlos wie Urängste, wobei  gerade „Es“ wie eine Blaupause wirkt für die Kingsche Konstruktion des Grusels. Das Grauen erwächst aus dem Alltäglichen, Vertrauten, fast Banalen: Dass Kinder dem Bösen in Gestalt eines Clowns zum Opfer fallen, ist eine böse, aber schlüssige Idee. In der Welt der Kindheit lauert der Schrecken dort, wo man ihn kaum erwartet. Die Erwachsenen sind selten eine Hilfe – meist stehen sie der Welt der Jungen ignorant gegenüber.

Kings Helden sind nicht die Klassenbesten, Musterschüler und Alpha-Tiere, sondern die Unverstandenen, die Gehänselten, die Versponnenen und Verspotteten. Wer könnte sich damit nicht identifizieren? Das ist in „Es“ so wie in Kings Durchbruch „Carrie“, in dem die Demütigung eines jungen Mädchens durch die Mitschüler (und die eigene Mutter) in einer Explosion der Rache mündet; oder in „Christine“, in dem sich die Wut eines ewig Gehänselten in Form eines besitzergreifenden und mordenden Oldtimers manifestiert, womit King noch eine Satire auf das Auto als Kultobjekt und Fetisch mitliefert.

Seine besten Werke würden auch ohne den Schrecken funktionieren. Bücher wie „Dreamcatcher“ oder Erzählungen wie „Stand by me“ erzählen mitfühlend von Freundschaften und Beziehungen, vom Schrecken und manchmal auch den Freuden des Erwachsenwerdens. King befeuert den Spannungsmotor zwar gekonnt, das Herz der Geschichte ist aber das Innenleben der Figuren. Die tragen oft autobiografische Züge, King lässt seine angeschlagenen Protagonisten manchmal selbst Schriftsteller sein: ob in „Brennen muss Salem“ über Vampirismus in der US-Provinz, Kings bevorzugtem Schauplatz, oder in „The Shining“, in dem ein Autor mit dem Übersinnlichen, ebenso aber mit seiner Alkoholsucht kämpft. King weiß, wovon er schreibt, auch wenn er mittlerweile trocken ist.

Sein Jahreseinkommen wird auf 40 Millionen Dollar geschätzt – dass er nach wie vor jeden Tag schreibt, kann nicht finanziell motiviert sein. Lust an der Arbeit und  das Unbehagen angesichts der Welt treiben ihn an. Letzteres wird auch vom US-Präsidenten befeuert, dessen Arbeit King mit sarkastischen Kommentaren auf Twitter begleitet. Dass jemand wie Trump über Atomwaffen herrsche, sagt King, sei „gruseliger als alles was er je geschrieben habe“.

 Schriftsteller Stephen King, der vom Grauen schreibt und sich zurzeit vor Donald Trump fürchtet.

Schriftsteller Stephen King, der vom Grauen schreibt und sich zurzeit vor Donald Trump fürchtet.

Foto: dpa/Maja Hitij

„Es“ startet morgen in vielen Kinos der Region. Kritik morgen in unserer
Beilage treff.region.

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