„Ich will wissen, wie der Mensch tickt“

Saarbrücken · Musik, Bilder, Daten lassen sich digital verändern, schönen, optimieren. Wenn das auch bei Menschen so wäre? Diese Frage stellt der originelle Film „Konstruktion“ der in Saarbrücken geborenen Regisseurin Helena Lucas.

 Regisseurin Helena Lucas.

Regisseurin Helena Lucas.

Gut läuft es nicht bei Leon und Jennifer. Der Architekt arbeitet Tag und Nacht am Großentwurf einer "gated community", die Designerin arbeitet eher im Kleinen an einem Sofa aus Gras. Die Distanz wächst, Leon versinkt immer öfter (und tiefer) in seinen raumgreifenden 3D-Entwürfen aus dem Rechner, bis ihm aus denen etwas Wunderbares erwächst - eine digitale Kopie von Jennifer, aber etwas verständnisvoller, etwas mütterlicher. Statt Protesten gibt es für ihn etwa ein Pflaster. Aber wie soll das gutgehen, ist die reale Jennifer doch auch noch da?

Diese Geschichte erzählt "Konstruktion" von Helena Lucas, zu sehen im Mittellangen Wettbewerb. Ihr halbstündiger Film weicht drohenden Klischees aus, er weckt Verständnis für beide Figuren und bleibt ambivalent. "Diese Ambivalenz war mir sehr wichtig", sagt Lucas, die es im letzten Bild zu einer Art Synthese kommen lässt, denn "es muss keine Konkurrenz zwischen Technik und Mensch geben". Der Film ist Lucas' Abschlussarbeit an der Internationalen Filmschule Köln. 1991 in Saarbrücken geboren, in St. Ingbert aufgewachsen, begann sie an der Saar-Uni ein Studium der Psychologie. "Ich hatte das Gefühl, dass ich das gut gebrauchen kann - egal, was ich mal werde. Ich will verstehen, wie der Mensch tickt. Das ist die Grundmotivation, die mich in der Wissenschaft so interessiert wie in der Kunst als Filmemacherin."

Als Lucas sich parallel an der Internationalen Filmhochschule Köln bewarb und angenommen wurde, brach sie das Studium in Saarbrücken ohne Zögern ab. "Das Kreative hat mir im Wissenschaftsstudium schon gefehlt." In Köln drehte sie erste Kurzfilme, die, wie Lucas erklärt, nicht immer linear von Anfang bis Ende erzählten und damit spielten, was real, was fiktiv ist.

Zur Idee von "Konstruktion" brachte sie der Blick auf eine "Generation, die sich daran gewöhnt hat, dass man bei digitalen Daten, Fotos, Musik, Filmen alles so verändern kann, wie man es gerne hätte". Aber wie soll man mit Menschen umgehen, die "so undigital sind, die ihre eigenen Widerstände haben?". Leons Freundin bemerkt nicht, dass sie ihren Freund mit einer digitalen Version ihrer selbst teilt. "Das ist aber kein Betrug im klassischen Sinn", sagt Lucas. "Leon hat ein Komplement gefunden, das ihm Rückendeckung gibt und die Schulter zum Anlehnen. Dadurch geht es ihm besser und damit auch der Beziehung." Ist das nun moralisch oder nicht? "Darüber kann und soll man diskutieren."

Der Film bietet einige knifflige Effekte, Architektur-Simulationen und vor allem Doppelgänger-Bilder, die völlig real erscheinen. Die Nachbearbeitung war lang: sie nahm ein halbes Jahr in Anspruch (der Dreh selbst dauerte nur zehn Tage). Bekannte Darsteller konnte Lucas gewinnen: Jacob Matschenz, 2005 bei Ophüls als bester Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet, und Luise Helm. Selbstverständlich ist das nicht. "Als Filmstudent kann man ja keine Gage zahlen", sagt Lucas, "aber coole Schauspieler machen mit, wenn ihnen das Drehbuch gefällt oder sie mal eine Rolle spielen können, für die sie sonst nicht besetzt werden."

 Jennifer (Luise Helm) und Leon (Jacob Matschenz). Fotos: Lucas

Jennifer (Luise Helm) und Leon (Jacob Matschenz). Fotos: Lucas

"Konstruktion" läuft morgen, 22.45 Uhr, im Cinestar 3; Mittwoch 19.45 Uhr Kino Achteinhalb, Freitag 14 Uhr CS 4, Sonntag 15.30 Uhr im Filmhaus.

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