Kino Hübsch hässlich wird die Zukunft

Saarbrücken · 1982 war der Film „Blade Runner“ ein Flop – heute gilt er als Klassiker. Kann die Fortsetzung mit Ryan Gosling und Harrison Ford da mithalten?  

 Das Los Angeles des Jahres 2049 –  ein Moloch im Dauerregen und -dunst.

Das Los Angeles des Jahres 2049 –  ein Moloch im Dauerregen und -dunst.

Foto: Sony Pictures

Gerade einmal zwei Kalenderjahre sind wir vom Datum der Zukunftsvision entfernt, die Ridley Scott in seinem Science-Fiction-Film „Blade Runner“ 1982 entworfen hatte. Auch wenn sich glücklicherweise nur wenig von der düsteren Fantasie in unserer heutigen Welt bewahrheitet hat – auf der Leinwand hat Scotts Meisterwerk nichts an Wirkung verloren. Dabei war „Blade Runner“ bei seinem Start 1982 ein veritabler Kassenflop. Erst im Laufe mehrerer Neustarts mit verschiedenen Fassungen vom „Director’s Cut“ bis zum „Final Cut“ entwickelte der Film seinen heutigen Kultstatus. Viele der dystopischen Hollywood-Visionen der letzten 30 Jahren wären ohne die prägenden Einflüsse von „Blade Runner“ nicht vorstellbar.

Wenn nun Denis Villeneuve mit „Blade Runner 2049“ in Scotts Fußstapfen tritt, sind die Erwartungshaltungen überlebensgroß. Der kanadische Regisseur hat sich, vom politisch engagierten Kunstkino kommend („Die Frau, die singt“), mit Werken wie „Prisoners“, „Sicario“ und dem Außerirdischen-Film „Arrival“ als Vertreter eines höchst anspruchsvollen Mainstreamkinos etabliert. Und so  erweist sich sein „Blade Runner 2049“ als würdiges Werk, das seiner Vorlage mit Respekt und Liebe begegnet, aber inhaltlich wie künstlerisch auf eigenen Beinen steht.

Die Zukunft des Jahres 2049 sieht düster aus: Gigantische Solarfelder erstrecken sich über verwüstete Landschaften bis zum Horizont, die Stadt San Diego ist eine riesige Müllkippe, das dauerverregnete Los Angeles schützt sich mit hohen Mauern gegen die heranbrandenden Meeresfluten. Hier verrichtet K (Ryan Gosling) seinen Polizeidienst. Genau wie seinerzeit Harrison Fords Figur Deckard – die hier wieder mit dabei ist – ist auch er ein „Blade Runner“: Er versetzt  menschenähnliche Replikanten, von Menschen als Arbeitsmaschinen erschaffen, gewaltsam in den „Ruhestand“.  Was bei Deckard einst im Ungewissen blieb und unter Fans zu Glaubenskriegen führte, ist im Falle von K sofort Gewissheit: Der versierte Jäger ist selbst ein Replikant. „Ihr neuen Modelle reißt euch um die Drecksarbeit, weil ihr noch nie ein Wunder gesehen habt“ sagt ein Replikant alter Schule vor dem Tod zu dem polizeilichen Vollstrecker.

Reste eines solchen Wunders finden sich in einer Kiste 30 Meter unter der Erde: Das Skelett eines weiblichen Replikanten trägt deutliche Gebährspuren. Dass diese sich selbst fortpflanzen und nicht auf die schöpferische Hochtechnologie der Menschen angewiesen sind, ist für die rigide Polizeichefin Joshi (Robin Wright) ein nicht akzeptabler Entwicklungsfortschritt. „Unsere Gesellschaft gründet darauf, dass es eine Mauer zwischen den Spezies gibt“ sagt sie und klingt wie heutige Abschottungspolitiker.

K wird beauftragt, das Kind zu finden und zu „eliminieren“. Aber seine Ermittlungsarbeit führt ihn  vor allem in die undefinierten Zonen der eigenen Identität, wo sich werksimplantierte Erinnerungen als mögliche Realität erweisen, die Gefühle für die Hologramm-Gefährtin Joi (Ana de Armas) eine bisher unbekannte Intensität erreichen und die eigene Existenz zum Spielball der schöpferischen Machtfantasien eines High-Tech-Giganten (Jared Leto) wird.

Wie Scotts Vorlage erzählt auch das Nachfolgewerk weniger mit Drehbuchwendungen denn mit Atmosphäre, nicht alles muss in Dialogen erklärt werden. Meisterhaft erschaffen Villeneuve und sein Kameramann Roger Deakins diese Assoziationsräume. „Blade Runner 2049“ ist der optisch ambitionierteste Science-Fiction-Film seit vielen, vielen Jahren. Über zweieinhalb Stunden hinweg erschafft er  Bilder von düsterer, atemberaubender Schönheit, die auf der großen Leinwand eine magische Wirkung entfalten.

 In Bedrängnis: Polizist K (Ryan Gosling, links) und Deckard (Harrison Ford), der „Blade Runner“ von einst.

In Bedrängnis: Polizist K (Ryan Gosling, links) und Deckard (Harrison Ford), der „Blade Runner“ von einst.

Foto: Sony Pictures

„Blade Runner 2049“ läuft ab morgen in den meisten Kinos. Mehr dazu, auch zu den anderen Neustarts, morgen in unserer Beilage treff.region.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort