Neue Bücher Hollywood, Du tiefe Schlangengrube

Saarbrücken · Eric Idle, Mitglied der legendären und seligen Komikertruppe Monty Python, legt eine Satire über Hollywood vor.

Es gibt wenig, was Eric Idle noch nicht gemacht hat. Als Mitglied des britischen Komikerkollektivs Monty Python schrieb er, unter jeder Menge anderem, „Always look on the bright side“, das Schlusslied des Python-Films „Das Leben des Brian“; er erfand wundersame  Figuren (etwa den verklemmten Verbal-Erotiker im „Knick-Knack-Zwinker-Zwinker“-Sketch), parodierte die Beatles als „The Rutles“ in einem Fernsehfilm, ging mit Bühnenprogrammen auf Tournee und inszenierte die finalen Auftritte von Monty Python 2014. Bücher schreibt der gerade 75 Gewordene auch, „The writer‘s cut“ ist sein jüngstes: ein Blick auf die Maschine Hollywood, wo der Engländer seit 20 Jahren lebt, mit seinen kleinen und großen Rädchen, die allesamt durchzudrehen scheinen, manche schneller, manche langsamer, ungebremst aber allesamt.

Stanley Hay heißt der Erzähler, im ersten Satz richtet er sich an „Euer Ehren“ – man darf vermuten, dass die folgenden Erinnerungen nicht gut enden. Hay ist als Drehbuchautor und Gagschreiber leidlich im Geschäft, er kann „vom Texten und davon Abkupfern ganz gut leben“, wie er sagt. Doch was ist man als Autor, ohne den einen, den großen Roman? Hay plant ein allumfassendes Enthüllungsbuch über Hollywood, vor allem über Sex – wobei das meiste frei erfunden ist. Das wissen aber weder sein Agent noch ein Verlagsmensch, der einen Bestseller für sein Sommerprogramm wittert. Was beide auch nicht ahnen: Hay hat noch keine Zeile geschrieben. Eine Mischung aus Schreibblockade und -unlust lähmt ihn, er vertröstet und schwindelt, das Werk sei so gut wie fertig. „In Hollywood nennt man das eine kreative Wahrheitsdehnung. Überall sonst heißt das Lüge.“ Doch Hay unterschätzt die gut geölten Apparaturen Hollywoods. Sein Agent verkauft die Filmrechte des Buchs für Millionen, Hay wird durch den Talkshow-Dschungel geführt, die Vorbestellungen für das Buch steigen ins Unglaubliche, während er langsam panisch wird und seine letzte Finte fehlschlägt: Aus seiner Lüge, seine Anwälte gäben das Manuskript nicht frei, weil sie Klagen der Promis im Buch fürchteten, entfacht eine flammende Debatte über Meinungsfreiheit. Und Hay ist mittendrin.

Autor Idle führt uns in ein Fegefeuer der Eitelkeiten, der Lüge, des Buckelns, Tretens, des allgegenwärtigen Sex und spart seine Hauptfigur charakterlich nicht aus: Hay ist kein besserer Mensch als die Opportunisten um ihn herum, er war beim Lügen eben nur ein bisschen ungeschickter. Zwei reale Drehbuchautoren zitiert Idle in seinem Buch: Oscar-Preisträger William Goldman („Die Unbestechlichen“) und Joe Eszterhas („Basic Instinct“), was wohl kein Zufall ist. Beide haben autobiografische Bücher über ihre Arbeit in und ihre Probleme mit Hollywood geschrieben, an die Idles Buch durchaus erinnert, die aber unmittelbarer wirken, eben weil ihr Erkenntnisgewinn höher ist. Idles Satire ist stets etwas überdreht,  kommt sehr laut und deutlich daher, dröselt andererseits die bizarre, aber schlüssige Logik von Hays medialem Aufstieg schön auf. 

„The Writer‘s Cut“, mit seiner finalen Steigerung ins Irrwitzige (auch Salman Rushdie schaltet sich noch ein), ist insgesamt eine interessante Lektüre – auch, weil man anhand dieser zweisprachigen Ausgabe Original und Übertragung vergleichen kann (Übersetzung: Julian Müller). Und da fällt der Wille auf, ob nun der des Verlags oder des Übersetzers, aus der Vorlage ein noch etwas knalligeres Werk zu machen. Die Bemerkung über die mediale Ruhmkultur, „fame is the new novel“ wird zu „aber hey, einen auf dicke Hose, das wollen die Leute lesen“. Im Bett mit Hays Freundin wird das vergleichsweise neutrale „she‘s going down on me“ zu „sie bearbeitete gerade mein Stehaufmännchen“. Und ein italienischer Gastronom, der im Original korrektes Englisch spricht, sagt hier Sätze wie „Sie isse besondere Frau.“ Das ist schon ein wenig merkwürdig.

Eric Idle: The Writer‘s Cut. Ein Reality-Roman aus Hollywood. Aus dem Englischen von Julian Müller, Kiepenheuer & Witsch, 307 Seiten, 12 €.

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