Hörspiel des Saarbrücker „Liquid Penguin Ensembles“ Hört Erinnerungsgeräusche! Neues von Liquid Penguin

Saarbrücken · Nicht nur Aromen wie die Proustsche Madeleine, getunkt in Tee, können in die eigene Kindheit zurückführen, auch Geräusche. Christoph Buggert (81) hat ein ganzes Arsenal davon unauslöschlich in seinem Gedächtnis gespeichert.

Ein grollendes „Woff“ bringt ihm die ganze Situation und die Angst, die er als kleiner Junge in einer vorpommerschen Kleinstadt vor der heranrückenden Front verspürte, sofort zurück. Wie ließe sich besser von solchen akustischen Schlüsselreizen erzählen als im Radio?

Mit dem Hörspiel „Ein Nachmittag im Museum der unvergessenen Geräusche“ lädt Buggert zur Besichtigung all der akustischen Phänomene ein, die ihn bis heute re­traumatisieren und an Gefahren, aber auch an skurrile Momente erinnern können. Die Realisierung überließ der ehemalige HR-Hörspielleiter und Autor von 20 Hörspielen bei diesem autobiografisch geprägten Stück jedoch anderen: den Saarbrückern Katharina Bihler (Regie) und Stefan Scheib (Geräusche, Komposition, Kontrabass) bekannt als Liquid Penguin Ensemble, die damit zum ersten Mal einen fremden Text radiophon inzenieren. Es waren seine Wunschkandidaten, wie Buggert bei der öffentlichen Voraufführung dieser SR-Produktion (ko-produziert vom MDR) im Saarbrücker Kulturzentrum am Eurobahnhof am Dienstag vor über 70 Zuhörern sagte.

 Das Reizvolle an Buggerts Hörstück, das einen durch 13 Geräusch- und Erinnerungsräume führt, ist, dass es zugleich seine Umsetzung zum Thema macht und reflektiert. Da mäkelt etwa der Erzähler, der (fiktive) Regisseur habe „seine“ Geräusche nicht authentisch rekonstruiert. Wer aber verfälsche, verharmlose. In Wahrheit haben Bihler und Scheib Detonationsgrollen, erinnerte Kindheitsstimmen, Klingelzeichen und Leitungsknistern subtil und mit gutem Gespür für Stille- und Atempausen nachgebildet. Gut auch, dass der Erzähler sich zwei junge Erzählerstimmen hinzuerfunden hat, die in seine Monologe mehr Dynamik bringen. Das Hörspiel beleuchtet die Kriegskindergeneration somit weniger von psychologischer Seite, sondern macht das Erinnern selbst zum Thema. Auch wenn der Anti-Kriegsimpetus ein wenig überbetont und eher zu vieles erklärt wird, was man sich als Hörer hätte selbst erschließen können – hörenswert ist die neue Penguin-Produktion allemal.

Die Studioversion des Hörspiels wird am kommenden Sonntag um 17:04 Uhr auf SR 2 KulturRadio in der HörspielZeit gesendet und steht danach noch ein Jahr online zum Abruf auf der SR-Homepage zur Verfügung.

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