Raubkunst-Debatte Hilfe zur Selbsthilfe für afrikanische Museen

Berlin · In der Debatte um die Rückgabe von Objekten aus der Kolonialzeit schlägt ein Experte einen Strukturfonds vor.

 Madonna-Figur eines unbekannten Künstlers aus Angola in der Kunsthalle Bremen.

Madonna-Figur eines unbekannten Künstlers aus Angola in der Kunsthalle Bremen.

Foto: dpa/Ingo Wagner

Bei der Rückgabe von Kulturgütern und Gebeinen aus deutscher Kolonialzeit sollten Institutionen der Herkunftsländer aus Sicht der Stiftung Preußischer Kulturbesitz stärker gefördert werden. „Es bräuchte einen Strukturfonds zur Unterstützung von Museen in Afrika und anderen Teilen der Welt“, sagte Stiftungspräsident Hermann Parzinger. „Es wäre wichtig, von staatlicher Seite einen Strukturfonds einzurichten, um Kooperationspartner deutscher Museen bei der Lösung infrastruktureller Probleme zu unterstützen, vor allem bei Kulturerhalt, also Restaurierung und Konservierung oder Digitalisierung.“ Häufig fehle es an technischer Ausstattung. „Hier könnte mit überschaubarem Aufwand sehr viel erreicht werden“, so Parzinger.

„Wir sollten nicht in einer leicht neokolonialen Geste einfach den Bau von Museen anbieten, sondern zunächst genau fragen, was unsere Partnerländer wirklich an Unterstützung brauchen.“ Auch beim Kulturerhalt komme es auf Hilfe zur Selbsthilfe an. „Wir müssen die Museen in die Lage versetzen, ihre Aufgaben erfüllen zu können. Sie wissen sehr genau, was sie dafür brauchen.“ Es gehe um „Capacity Building“ verbunden mit Aus- und Weiterbildungsprogrammen.

Deutschland hatte im August die sterblichen Überreste von 27 während der deutschen Kolonialzeit getöteten Menschen an Namibia zurückgegeben. Sie sollen künftig in einem namibischen Museum aufbewahrt werden. Namibia war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie.

Jüngst forderten mehr als 80 Wissenschaftler aus aller Welt einen neuen Umgang mit der Kolonialgeschichte. Sie sprachen sich in einem Appell für eine zentrale Institution zur Herkunftsforschung und eine grundlegende Neuorientierung in der Aufarbeitung aus. In Frankreich hatten die in Berlin und Paris lehrende Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und der senegalesische Ökonom Felwine Sarr in einem Bericht für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron empfohlen, praktisch alle aus der Kolonialzeit stammenden Kunstwerke an die Herkunftsländer zurückzugeben.

Parzinger verwies auf die Rolle der Wissenschaft. „Die Provenienzforschung führt letztlich dazu, die Geschichte der Objekte zu rekonstruieren und eine Entscheidungsgrundlage zu haben, was möglicherweise unrechtsbehaftet ist, also zum Beispiel gestohlen wurde, und was auf anderem, legalem Wege erworben wurde.“ Dabei setzt der Stiftungspräsident auf Öffentlichkeit. „Es ist wichtig, dieses Thema wieder stärker in die Gesellschaft hinein zu vermitteln“, sagte Parzinger. „Aber es gibt die dezidierte Haltung, menschliche Gebeine nicht einfach nur einzupacken und zurückzugeben, sondern sie mit den noch vorhandenen Informationen zu versehen. Es wird von uns erwartet, dass wir die Herkunft solcher Überreste genau erforschen, ehe wir sie zurückgeben. Das ist Teil unserer Verantwortung.“

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