Jazz Ein Abend mit Frankreichs Basskönig

La Petite Pierre · Der legendäre Musiker Henri Texier beim Festival „Au Grès du Jazz“ im elsässischen La Petite Pierre.

 Jazzmusiker Henri Texier

Jazzmusiker Henri Texier

Foto: imago images/Sven Thielmann/imago stock

Eigentlich hätte Henri Texier mit seinem Chance Quintet die bildhübsche Place Jerri Hans an der Schlossmauer in jazzige Wallung bringen sollen. Die Macher des Festivals „Au Grès du Jazz“ in La Petite Pierre befürchteten jedoch neuerliche Aprilwetter-Kapriolen und verlegten den Top-Act kurzfristig ins Centre Culturel. Der Musik tat die Verlegung keinen Abbruch.

Frankreichs Basskönig und seine durchweg eine Generation jüngeren Partner brannten mit Virtuosität und Spielfreude ein Feuerwerk der Sounds und Beats ab. Die Funken heller Begeisterung stoben, obwohl es das Pariser Bass-Urgestein nicht darauf anlegt, seine musikalische Message für den Breitengeschmack geschönt unter die Leute zu bringen. Texiers Parforce-Ritt durch den Kosmos des Gegenwartsjazz verlangt nicht nur den Protagonisten volle Konzentration und Stehvermögen ab, sondern auch dem Publikum ein Höchstmaß an aufmerksamer Hinwendung. „En passant“ lässt sich dieses komplexe Geflecht aus ästhetischer Kalkulation und Temperamentsausbrüchen nicht erfassen.

Das Chance Quintet – drei Bläser/Bass/Drums – ging phasenweise kompromisslos robust mit quirligen Kollektiv-Improvisationen, rasanten Up-Tempi und kreischenden Free-Ausbrüchen zur Sache. Dann und wann schufen aber auch herb-schöne balladeske Passagen Ruhepunkte und melodiöse Genuss-Momente.

Sébastien Texier, 51-jähriger Sohn und langjähriger musikalischer Partner des Leaders, profiliert sich als Komponist („Cinecitta“) und als Meister am Altsaxophon und verschiedenen Klarinetten. Auch der zweite Holzbläser Vincent Le Quang (Tenor- und Sopransaxophon) hat Klasse. Die Brass-Abteilung verkörpert der Trompeter Carlo Nardozza, der sich in den Sphären der Jazztradition ebenso kompetent bewegt wie in der Moderne. Dahinter Gautier Garrigue, ein virtuoses Energiebündel am Schlagzeug, und natürlich der grandiose Texier. Keiner weit und breit polstert den Bandsound mit so warmen voluminösen Basstönen wie der 76-jährige Pariser. Er ist seit mehr als einem halben Jahrhundert einer der am höchsten gelobten Tieftöner Europas. Seine musikalische Diktion lebt von Farbenreichtum und in aller Welt gesammelten Einflüssen. So gerät dieser Abend zu einer nicht wenig anstrengenden, aber sehr impressionsreichen Weltreise.

Noch bis zum 15. August schlägt der Jazz im heimeligen La Petite Pierre die Jünger der Tonkunst in seinen Bann – bei gnädiger Wetterlage auch wieder open air.

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