Comic-Ausstellungen Gezeichnete Flüchtlinge und der Gegenwart mehr

Oldenburg · Frankreich und Japan gelten als Trendsetter für Comics und Graphic Novels. Jetzt haben deutsche Zeichner an die Szene angedockt.

 Blick in die Schau im Oldenburger Horst-Janssen-Museum mit dem Hans-Fallada-Comic „Der Trinker“ des Saarbrücker Zeichners Jakob Hindrichs.

Blick in die Schau im Oldenburger Horst-Janssen-Museum mit dem Hans-Fallada-Comic „Der Trinker“ des Saarbrücker Zeichners Jakob Hindrichs.

Foto: dpa/Carmen Jaspersen

(dpa) Kindheitserinnerungen im Altenheim, Sexarbeiterinnen in Russland, Künstlerleben zwischen Party und Peinlichkeit – Comics und Graphic Novels sind Spiegelbild der Gesellschaft. Trotzdem stehen sie in der Rangfolge der Künste als sogenannte Neunte Kunst meist hinten. Die aktuelle Kooperationsausstellung in drei Oldenburger Museen heißt daher „Die Neunte Kunst“: Hommage an eine ausgesprochen aktuelle Kunstform.

Zu sehen ist etwa die Comic-Reportage „Dem Krieg entronnen“ von Olivier Kugler. Er hat in fünf Ländern syrische Flüchtlinge interviewt, fotografiert und gezeichnet. „Die doppelte Autorenschaft von Wort und Bild: Das ist richtig schwere Arbeit“, sagt Anke Feuchtenberger. Die 55 Jahre alte Professorin für Zeichnen und Illustration unterrichtet Graphic Novel an der Hamburger Kunsthochschule. Bei jungen Zeichnern seien autobiographische Themen im Trend. Auch auf Graphic Novels spezialisierte Verlage müssen einen langen Atem haben. Johann Ulrich, Chef des kleinen Berliner Avant-Verlags, sieht aktuell journalistische Arbeiten etwa zum Syrien-Konflikt und feministische Graphic Novels im Aufwind. Die Szene sei selbstbewusst, weil Comic-Zeichner Allroundtalente seien: „In der Graphic Novel bin ich Autor, Regisseur, Ausleuchter und Kameramann in einer Person.“

Das Oldenburger Edith-Russ-Haus für Medienkunst richtet den Fokus auf „Unwanted Stories“, erfunden und am Computer entwickelt von fünf internationalen Künstlern. Eine russische Bilder-Reporterin führt etwa die Ausbeutung kasachischer Frauen vor Augen. Im Kinoraum geht es um den Nervenkitzel von Ego-Shooter-Spielen. Der ägyptische Künstler Ganzeer, bekannt für seine Graffitis während der Unruhen des Arabischen Frühlings, hat im Edith-Russ-Haus die Hölle auf Erden inszeniert. In seiner Lichtinstallation wird unser Planet Tag und Nacht von Satelliten beleuchtet.

Parallel dazu ist ab morgen „Die Geschichte des Comics“ Thema im Stadtmuseum Oldenburg. Dort schickt Museumsdirektor Andreas von Seggern die Besucher mit Meisterdetektiv „Nick Knatterton“ und „Fix und Foxi“ auf eine Zeitreise. In einer bunten Comicwand sind Kultgegenstände wie ein Mickey-Mouse-Telefon installiert. Mit dabei ist der mit einem Oscar ausgezeichnete Anti-Hitler-Zeichentrickfilm „Fuehrer’s Face“ mit Donald Duck in Nazi-Deutschland. Nebenan wehen vor dem Horst-Janssen-Museum Flaggen mit dem Konterfei des australischen Musikers Nick Cave. Die mit Tusche gezeichnete Biografie des ekstatischen Stars ist in der Ausstellung „Aktuelle deutsche Graphic Novels“ zu sehen. Originale von 13 zeitgenössischen Comiczeichnern zeigen den langen Weg von den ersten Zeichnung bis zum fertigen Buch.

Oft dauere die Arbeit mehr als drei Jahre, sagt Jutta Moster-Hoos, Leiterin des Horst-Janssen-Museums: „Das ist eine sehr anspruchsvolle, super lebendige Szene mit den Epizentren in Berlin, Hamburg und Leizpig.“ Eine Story zwischen Selbstentblößung und Sexualität erzählt Ulli Lust. In ihrer Novel dreht sich alles um die Dreiecksbeziehung mit dem alternden Schauspieler Georg und dem Nigerianer Kimata. Trotz Comic-Ausstellungen wie jetzt in Oldenburg und 2017 in der Bundeskunsthalle Bonn spricht Claudia Jerusalem-Grönewald von einem Nischendasein der Graphic Novels. „Bei Comics denken viele noch immer an die sogenannten Funnys wie Asterix, Mickey Mouse und Tim und Struppi“, sagt die Sprecherin des Verlags Carlsen Comics. Dabei seien einige gezeichnete Bücher wie der Krimi „Der nasse Fisch“ längst Bestseller.

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