Saarbrücker Evimus-Festival Geräuschekaskaden und Tablettöne

Saarbrücken · Das Saarbrücker Festival für elektroakustische und visuelle Musik begann am Donnerstag verheißungsvoll – Eindrücke und Ausblicke.

In den 70ern wurde unter dem Stichwort Quadrophonie mit einem Raumklang aus vier Lautsprechern experimentiert. Heute gibt es sogar Oktophonie. Jedenfalls ist das so beim Festival „Evimus – 4. Saarbrücker Tage für elektroakustische und visuelle Musik“ vom 2. bis 5. November im KuBa am Eurobahnhof. Von acht Lautsprecherboxen umringt, verfolgte ein applaudierfreudiges Auditorium am Donnerstag das Eröffnungskonzert mit dem „Strasbourg Electronic Ensemble (SEE)“. Zwei Tage lang habe man im Vorfeld aufgebaut, um hier optimale technische Voraussetzungen zu schaffen, erzählte Organisatorin Romina Tobar, die das Treffen mit dem künstlerischen Leiter Daniel Osorio nahezu im Alleingang stämmt.

Die Arbeit hat sich gelohnt. Was Tom Mays, Chef der Strasbourger Elektroniker (Co-Leitung Daniel D‘Adamo), von der Saalmitte aus an Mischpult und Laptop mit dem letzten Schliff veredelte, ließ an audiovisuellen Eindrücken nichts zu wünschen übrig. Besonders gut zur Geltung kam erwähnte Oktophonie bei Daphné Hejebris Opus „Machinarium (for harp and live electronics)“: Die verfremdeten Klänge und Echos der Harfe rotierten durch die Boxen kreisförmig über die Köpfe der Zuhörer hinweg, dass es ein Ohrenschmaus war. Witzig am Rande, dass SEE-Harfenist Jean-Baptiste Haye einige der zahlreichen Saiten seines Instruments mit einem Stück Papier präpariert hatte – eine liebgewonnene Tradition aus den Pioniertagen der Avantgarde vor gut einem halben Jahrhundert. Moderner schaute da die neunsaitige E-Gitarre aus, der Guido Pedicone im Eröffnungsstück „Stomatopod“ wahrlich E-Bass-Timbre entlockte: Im Zusammenwirken mit dem Live-Computer prasselten Gewitterregen flirrender, zirpender und rauschender Geräusche und Töne hernieder.

Mit hörenswerten elektronischen Verfremdungen der menschlichen Stimme warteten in den Ensemble-Reihen vorproduzierte Beiträge auf: Jean-David Merhis „Katharaxis“ und „Les cheveux ondulés ...“ von Sergio Meneses. „Well-tempered patch II“ taufte Ensemblechef Tom Mays eine Live-Darbietung, bei der er kunstfertig eine afrikanische Rahmentrommel Bendir anschlug und parallel am Computer die digitale Modifizierung der Sounds besorgte. Vollends dem visuellen Aspekt des Festivalmottos entsprechend, bot schließlich eine finale Performance („HAL“) allerhand fürs Auge: Drei Ensemblemitglieder musizierten hier in Geräuschekaskaden, indem sie kleine, mit Sensoren ausgestattete Tabletcomputer in der Luft hin- und herbewegten. Einer sensoralen Klangerzeugung scheint kaum Grenzen gesetzt.

So wartete draußen im Vorraum, der KuBa-Kantine, ein kleine Bühnenausstattung auf ihren Einsatz am Freitag: Vor einer nostalgisch in 50er-Jahre-Optik gestylten Sitzecke mit Nierentisch waren schmucklose Holzplatten (mit Sensoren) auf dem Fußboden zu erblicken – auf denen durften sich tags darauf Besucher ergehen. „Drucksensibler Boden“ nenne man sowas. Mindestens zwei (eintrittsfreie) Konzerte bieten Tobar und Osorio pro Tag bei „Evimus“: Mit jeweils einer Stunde Dauer sind sie absichtlich kurz gehalten – „um ungeübte Hörer nicht zu überfordern“, so Tobar. Apropos Publikum: Bereits beim Festivalauftakt waren erfreulich viele junge Gesichter zu erblicken. An Autoren jüngeren Alters (bis 40 Jahre) richtete sich auch der „Evimus“-Kompositionswettbewerb, zu dem 150 Beiträge aus knapp 20 Ländern eingingen. Der erste Preis ging an Igor Silva (Portugal), der zweite an Nicolas Tzortzis (Griechenland), der dritte an Elvira Garifzyanova aus Russland.

Samstag: Konzerte um 19 + 21 Uhr; 17.30 Uhr: Vortrag Andrés González („Endemische Klänge in zeitgenössischer Musik“)

Sonntag: Konzert um 11 Uhr + Abschlusskonzert um 19 Uhr mit dem Liquid Penguin Ensemble. Der Eintritt zu allen Konzerten ist frei!
Programm-Infos: www.evimus.de

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