Neu im Kino Gemeinsam gegen den Rest der Welt

Saarbrücken · Western, Historiendrama, Liebesgeschichte: Der Film „Die Frau, die vorausgeht“ (ab morgen in Saarbrücken) trägt Züge all dieser Genres – und umgeht alle drohenden Klischees.

 Sittung Bull (Michael Greyeyes) und Catherine Weldon (Jessica Chastain).

Sittung Bull (Michael Greyeyes) und Catherine Weldon (Jessica Chastain).

Foto: Richard Foreman, Jr. SMPSP//Richard Foreman

() Warum reiten? Die weißen Schnürschuhe, die Catherine Weldon unter ihrem langen rüschigen Kleid trägt, sind staubige Wege gewohnt. In New York gibt es schließlich keine Pferde. Doch hier in North Dakota kann man im Frühjahr 1889 die Trampelpfade kaum sehen; das Geröll ist kantig, die Hitze erbarmungslos und die Entfernungen sind enorm. Wer im Westen frei sein will, der muss ein Pferd haben; das bekommt sie von jenem Indianer zu hören, dessentwegen sie den langen Weg auf sich genommen hat.

Im staubigen Nichts zwischen dem Indianerreservat Standing Rock und den schäbigen Siedlungen der Weißen treffen sich zwei Menschen, die erst lernen müssen, sich gegen die sie begrenzende Welt aufzulehnen. Catherine Weldon, die zunächst die Nähe von Pferden nur schwer ertragen kann, hat lange mit dem Schicksal gehadert. Mit Geduld und Demut hat sie erst ihren drakonischen Vater und dann ihren reichen Mann überlebt. Nun kann sie als wohlhabend-aufgeklärte Witwe ihr Leben in die eigenen Hände nehmen.

Es sind begabte Hände: Senatoren bezahlen 40 Dollar, um von Weldon auf Leinwand porträtiert zu werden. Ende des 19. Jahrhunderts ist das eine Menge Geld. Die Enddreißigerin hat sich schon immer für beide Seiten der Medaille interessiert: für die Geschichten des Westens, die alten Tragödien von Little Bighorn, für Sieger und Besiegte. In den Archiven und Museen gibt es viel zu lesen, jedoch kaum etwas über einen der einstigen Hauptakteure, Sitting Bull. Erst recht existiert kein Gemälde von dem Sioux-Häuptling.

Um das zu ändern, reist Weldon nach North Dakota. Gegen den Widerstand der Armee will sie Sitting Bull treffen und malen – und ihre eigene Vergangenheit abschütteln. Doch in den staubigen Weiten des rauen Landes begegnet ihr eine deprimierende Gegenwart, in der Menschen dämonisiert und von den Siegern in steife Anzüge und viel zu kleine Holzhäuser gepfercht werden. Die reiche Frau aus dem Osten trifft auf den scheinbar gebrochenen Indianer aus dem Westen, der inzwischen Kartoffeln anbaut. Eine scheinbar weltoffene, liberale Frau begegnet einem scheinbar gefangenen Mann, der seine Vergangenheit negiert. Für 1000 Dollar will sich Sitting Bull malen lassen. Eine unerhörte Summe, doch Weldon willigt ein. Aus Neugier und aus Trotz.

„Die Frau, die vorausgeht“ ist kein Western, obwohl er im Westen spielt. Er ist keine Liebesgeschichte, obwohl er von der Liebe handelt. Es gibt keine Schießereien, weil die Kugeln längst in den Protagonisten stecken. Er hat keine Feindbilder, obwohl er von ewiger Feindschaft handelt. Einzig Sam Rockwell als zynischer US-Colonel und Ciaran Hinds als Officer verkörpern das Klischee einer gegenüber Frauen wie Indianern gleichermaßen arroganten und unbarmherzigen Gesellschaft, die das tragische, von der Historie diktierte Ende des Films bedingt. Gegen diese beiden Figuren muss sich Weldon behaupten. Gesetz wie Waffen sind letztlich machtlos gegen die wachsende Freundschaft zwischen dem Indianer und der weißen Frau.

Der Film von Susanna White ist über weite Strecken ein Drama, das wortreich mit den geschundenen Gefühlen seiner beiden Hauptfiguren umgeht, zweier Menschen, die voneinander lernen und aneinander wachsen. In einem schlechteren Film würden sie als Liebespaar gegen die unsäglichen Umstände aufbegehren. Regisseurin White hält jedoch Kitsch außen vor und beschränkt sich auf das Beiläufige. Das ist manchmal anstrengend, aber immer ehrlich.

Im Mittelpunkt stehen die beiden Hauptdarsteller, die ihre Figuren nie in übertriebenen Posen ausstellen. Der Film wirkt durch kraftvoll-epische Bilder, die an Filme wie „Glory“, „Legenden der Leidenschaft“ und „Last Samurai“ erinnern. Er wirkt auch durch die sperrig-harmonische Musik von George Fenton, der „Gandhi“ vertont hat, aber auch die Filme von Ken Loach.

Catherine Weldon sagt zu Sitting Bull einmal fast ein wenig resignierend: „Es ist verdammt schwer, tapfer zu sein“. Ein wunderbarer Satz für einen Film, der keine starken Helden zeigt, sondern Menschen, die versuchen, dem Leben die Stirn zu bieten.

Der Film startet morgen in der Camera Zwo in Saarbrücken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort