„Gebastelte Sachen kommen immer teurer“

Der Luxemburger Christian Bauer ist einer von drei Architekten, die seit 2014 im Saarbrücker Gestaltungsbeirat sitzen. Ziel des Gremiums ist es, die Bauqualität in der Landeshauptstadt zu verbessern. Der Beirat, dem neben Bauer Ferdinand Heide (Frankfurt) und Jens Wittfoht (Stuttgart) angehören, berät die Stadt bei Bauvorhaben. Einwände des Gestaltungsbeirats führen in aller Regel zu einer qualitätvolleren Überarbeitung der Anträge. SZ-Redakteur Christoph Schreiner hat mit Bauer über die Bedeutung des öffentlichen Raums, über Gemeinsinn und Baukultur gesprochen.

 Architekt und Gestaltungsbeirat Christian Bauer. Foto: B&B

Architekt und Gestaltungsbeirat Christian Bauer. Foto: B&B

Foto: B&B

Sie sind als in Luxemburg lebender Architekt mit den Ortsbildern dreier Länder vertraut: Luxemburg, Frankreich, Deutschland. Gibt es aus Ihrer Sicht zwischen diesen Ländern markante Unterschiede in der Gestaltung und Pflege des öffentlichen Raums?

Bauer: Die Differenz zwischen den Städten und Dörfern ist größer als die zwischen den einzelnen Ländern. Nehmen wir Metz, wo der öffentliche Raum sehr gestaltet wird, was wohl noch aus der Haussmann'schen Zeit kommt. Damals wurden öffentliche Räume geschaffen, die durch Bauwerke gewissermaßen eingewärmt, markiert wurden. Dort ist die Stadtstruktur sehr präsent. In der Metzer Peripherie kippt das völlig. Dort existieren nur noch Flächen, die von Objekten besetzt werden. Der Zwischenraum hat keine Qualitäten mehr. Das gleiche gilt für Luxemburg, wo es lange keinerlei Stadtplanung gegeben hat, sondern nur Straßenplanung und Siedlungsbau. Das nun entstehende Stadtquartier cloche d'or ist, wie zuvor das Plateau Kirchberg, erst der Beginn davon.

Die meisten Kommunen sind pleite, wenn man mal von Ihrem wohlstandsgesegneten Großherzogtum absieht. Lassen sich Ortschaften und Städte, denkt man etwa an das verwendete Stadtmobiliar, auch mit geringen Investitionen aufwerten?

Bauer: Stadtmobiliar ist ein Zeichen, ein Symbol dafür, dass Stadtraum eine Wichtigkeit bekommt. Aber zuerst muss der Raum erst einmal geschaffen werden. Das lässt sich nicht nur durch Architektur erreichen. Auch durch Vegetation lassen sich Räume schaffen, indem man ihnen einen Rahmen gibt. Aber das ist alles sehr schwierig. Um das umzusetzen, müsste das Allgemeinwohl über den Einzelinteressen stehen. In Luxemburg ist man davon weit entfernt. Dort wird die Freiheit des Einzelnen absolut gesetzt, Gemeinsinn steht dahinter zurück. Und was das Geld anbelangt: Wir bauen in Luxemburg, obwohl wir genug Geld haben, nicht schönere Dörfer als in Deutschland oder Frankreich. Es entstehen dort nur mehr Vorzeigeobjekte.

Haben Sie den Eindruck, dass der öffentliche Raum heute an Bedeutung gewinnt oder erschöpft sich das Verständnis davon oft darin, dass öffentliche Räume gleichgesetzt werden mit dem Bereitstellen von Konsumflächen - also Fußgängerzonen und Verzehr- und Gastronomieflächen?

Bauer: Es scheint, dass die normale Bevölkerung eine wettergeschützte Flaniermeile als Stadtraum empfindet. Viele flüchten in Shopping Malls, weil sie verführerisch komfortabel sind und man bequem parken kann. Das scheint das Modell zu sein, mit dem ich gar nicht glücklich bin, weil es die klassische Stadt zerstört.

Als Mitglied des Saarbrücker Gestaltungsbeirats haben Sie seit 2014 mit Ihren beiden Kollegen 40 Bauvorhaben begutachtet. Welchen Einfluss haben Sie als Trio dabei konkret?

Bauer: Nun, wir konnten unsere Wirkung mit der Zeit gut feststellen. Verschiedene Projektentwickler haben gemerkt, dass sie einen ernsthaften, besseren Architekten brauchen. Die kamen mit bescheidenen Plänen und merkten dann, dass sie so nicht schneller zu ihrem Geld kommen. Am Ende geht es ja immer nur ums Geld. Jetzt kommen sie mit besseren Architekten.

Erkennen Sie auf lokalpolitischer Ebene ein wirkliches Bewusstsein für Baukultur?

Bauer: Die Politik ist in dem Gestaltungsbeirat ja mit vertreten. Sie hört zu und beginnt, Dinge zu analysieren und nicht nur Geschmacksurteile zu treffen. Wir versuchen die Politik davon zu überzeugen, dass Bauprojekte in den vorhandenen Kontext hineinpassen müssen, man Projekte also niemals nur isoliert betrachten sollte.

Das gängige Vorurteil, das der Baukultur immer entgegenschlägt, lautet, dass mit ihr alles nur teurer wird. Entspricht das der Realität?

Bauer: Ich drehe es einmal um: Schlechte Projekte, die uns vorgelegt wurden, hätten nachweislich mehr gekostet als die verbesserten jetzt kosten. Gebastelte Sachen kommen immer teurer. Gut geplante Projekte lassen sich am Ende auch besser verkaufen. Das bringt also auch für den Projektentwickler einen Mehrwert.

Wäre es sinnvoll, einen solchen Gestaltungsbeirat, wie ihn sich Saarbrücken leistet, auszuweiten auf ganze Landkreise? Im Saarland gibt es, wie in den Nachbarländern auch, viele Ortschaften, die um eine Durchgangsstraße gruppiert sind, mit Wohnsiedlungen zu beiden Seiten, aber keiner wirklichen Ortsmitte. Solche Orte könnten ansehnlicher werden, wenn dort mehr Gestaltungsbewusstsein entstünde und etwa durch Begrünungen Schadhaftes, Ungeordnetes korrigiert würde.

Bauer: Ja, alle Gemeinden müssten mehrere Spezialisten zur Verfügung haben, um Wunden zu heilen, um Fehler zu korrigieren und Ortschaften ein neues Thema zu geben. Durch Farben lässt sich beispielsweise ohne große Kosten eine Verbesserung bewirken. Jeder einzelne Bewohner müsste einsehen, dass er etwas davon hat, wenn ein Stadtraum aufgewertet wird. Dieses Bewusstsein fehlt.

Wie ließe sich ein Bewusstsein für die Wertigkeit von Materialien entwickeln?

Bauer: Etwa durch solche Initiativen wie einen Gestaltungsbeirat. Wir brauchen aber auch aktive Bürger - nicht nur solche, die vor allen Dingen nur konsumieren wollen.

Zum Thema:

Zur Person Christian Bauer (69) betreibt in Luxemburg ein Architekturbüro mit 35 Angestellten. Zu den von ihm realisierten Bauten gehör(t)en der luxemburgische Pavillon für die Weltausstellung in Hannover (Expo 2000) und das Musée National d'Histoire et d'Art in Luxemburg. cis

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