Freie Fahrt dem Enthusiasmus: Neuanfang in der Alten Kirche

Saarbrücken · Weg vom Schlossplatz, rein in die Innenstadt; dazu eine enge Kooperation mit der Musikhochschule: Die Saarbrücker Kinder- und Jugendbuchmesse zieht Konsequenzen aus ihrer latenten Krise. In der Alten Kirche vis à vis des Staatstheaters findet sie künftig Ende September statt.

 Neue Heimat für die Kinder- und Jugendbuchmesse: die Alte Kirche St. Johann. Archivfoto: Bub

Neue Heimat für die Kinder- und Jugendbuchmesse: die Alte Kirche St. Johann. Archivfoto: Bub

"Ach, jetzt haben Sie's schon verraten", bedauerte Doris Pack, dass HfM-Pressemann Thomas Wolter in seiner Begrüßung en passant (und ganz ahnungslos) gleich die wichtigste Neuerung ausgeplaudert hatte. Dass die Hochschule für Musik (HfM) mit der Europäischen Kinder-und Jugendbuchmesse, der Pack vorsitzt, künftig kooperieren wird, das konnte man sich bereits vorab zusammenreimen - nachdem die HfM unter dem Titel "Neukonzeption der Kinder- und Jugendbuchmesse" zur gestrigen Pressekonferenz in eines ihrer Sitzungszimmerchen eingeladen hatte. Wolter aber fiel gleich auch schon mit der Tür ins Haus. Also: Künftig wird die Messe in der von der HfM (Proberäume, Konzerte) seit einigen Jahren genutzten Alten Kirche, nur einen Steinwurf vom St. Johanner Markt entfernt und gegenüber dem Staatstheater, ihre neue Bleibe finden.

Sie freue sich "irrsinnig, dass wir das Schloss verlassen", ließ Messeleiterin Astrid Rech alle Diplomatie fahren: freie Fahrt dem Enthusiasmus! Seit der dort unter der Knute immer rigiderer Brandschutzvorschriften stehenden Messe in Schloss und VHS-Gebäude aller Charme und Improvisationsmut ausgetrieben wurde, kann man Rechs Erleichterung nur zu gut nachfühlen. Sofern ihre Pläne in der Alten Kirche nicht brandschutzrechtlich entzaubert werden, könnte die Messe dort ihren auch dringend nötigen Neuanfang einleiten. In Abwandlung des Leitspruches über dem Portal des 1727 eingeweihten, 2011 von der Evangelischen Kirche ans Land abgetretenen einstigen Gotteshauses ("Herr ich habe lieb die Stätte Deines Hauses"), könnte selbiges schon Anfang Oktober zu einer liebgewonnenen neuen (Lese-)Bildungsstätte geworden sein.

Wird die Messe doch nicht nur einen neuen Ort finden, sondern künftig auch zu einer ganz anderen Zeit stattfinden: vom 28. September bis 1. Oktober, also kurz vor der Frankfurter Buchmesse.

Die Verlegung vom Mai in den September ist einer dritten maßgeblichen Veränderung geschuldet: Die Musikhochschule, mit der die Messe künftig eine "enge inhaltliche-programatische Zusammenarbeit" (Rech) eingehen wird, stellt die Alte Kirche nur in den Semesterferien zur Verfügung. Wobei Doris Pack gestern lieber frotzelnd von einer "karitativen Maßnahme" der Messe sprach: Man helfe der HfM dabei, die Alte Kirche "in der Zwischenzeit zu füllen". Auch Bildungsstaatssekretärin Andrea Becker schien gestern guten Mutes, dass die 75 000 Euro des Ministeriums zur Finanzierung von eineinhalb Messe-Personalstellen (!) gut angelegt sind.

Den Konzertsaal oben soll nach dem Wunsch von Astrid Rech, nach dem Rückzug ihrer Mutter Yvonne nun "in jeder Hinsicht die neue Leiterin" (Pack), gewissermaßen ein Büchermeer fluten, in dem Lese-Inseln zuhauf Zuflucht bieten sollen. Vom ohnedies nie konsequent umgesetzten Prinzip herkömmlicher Verlagsstände will sich Rech damit verabschieden. Statt anämischer Messestandsatmosphäre möchte sie themenspezifisch jeweils üppig bestückte Eintauchstationen kreieren.

Zusätzlich wird man das fünf Räume zählende Erdgeschoss wie gehabt für Workshops und Autorenlesungen nutzen. Und naheliegenderweise, womit die HfM abermals ins Spiel kommt, auch für Musikalisches: HfM-Studenten sollen die Lesungen "begleiten und untermalen", hat Rech mit HfM-Rektor Wolfgang Mayer ins Auge gefasst. Auch wollen beide die Multikulturalität der Hochschule nutzen, deren Studenten aus über 40 Nationen stammen: Diese könnten Bücher aus ihren jeweiligen Heimatländern vorstellen - eine charmante Idee. Wie auch die, den St. Johanner Markt mit seinen Restaurants und Geschäften mit einzubeziehen in das Messetreiben, auf dass dieses sichtbar werde. Je sechs deutsche und französische Titel stehen auf der jüngsten Shortlist für den Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreis. Er wird von der Saarbrücker Kinder- und Jugendbuchmesse und der Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit verliehen. Hauptsponsor ist die Straßburger Fondation entente franco-allemand (Fefa). Nominiert sind Gernot Grikschs "Ghetto Bitch" (Dressler), Mario Feslers "Lizzy Carbon und der Club der Verlierer" (Magellan), Angela Mohrs "Zwei Tage, zwei Nächte und die Wahrheit über Seifenblasen" (Arena), Marlene Röders "Cache" (Fischer KJB), Oliver Schlicks "Miranda Lux: Denken heißt zweifeln oder warum jede Geschichte zwei Seiten hat" (Ueberreiter) sowie Heidrun Wagners "Wenn du vergisst" (Oetinger).

Auf französischer Seite konkurrieren "Robin de Graffs" (Editions Thierry Magnier) von Muriel Zücher, "Le Domain" (Actes Sud Junior) von Jo Witek, "Le caméléon et les fourmis blanches" (La Joie de Lire Editions) von Emmanuel Bourdier, Jean-Christophe Tixiers "Traqués sur la lande" (Rageot Editeur), Coline Pierrés "Ma fugue chez moi" (Editions du Rouergue) sowie "Ne ramenez jamais une fille du futur chez vous" (Syros Jeunesse) von Nathalie Stragier. Die Preise, jeweils mit 6000 Euro dotiert, werden am 19. Mai in der Saarbrücker Staatskanzlei verliehen.

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