Frankfurter Buchmesse Lesen Jugendliche eigentlich noch?

Frankfurt/Main · Sie sind die unbekannteste Zielgruppe des Buchmarkts. Verlage und Büchereien haben verstanden: Am besten fragt man die Heranwachsenden selbst.

 In der „JungeMedienJury“ (JMJ) werden von 13- bis 16-Jährigen aktuelle Buchtitel diskutiert.

In der „JungeMedienJury“ (JMJ) werden von 13- bis 16-Jährigen aktuelle Buchtitel diskutiert.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Bücher-Stapel auf dem Tisch, der Schrank voller neuer Wälzer, eine lebhafte Diskussion und viel Begeisterung: Wenn sich in Frankfurt die JungeMedienJury trifft, kann man kaum glauben, dass Lesen bei Jugendlichen nicht hoch im Kurs stehen soll. Vanessa, Jette, Linnea, Mia, Hendrik und Karlson lesen gern und viel. Bei den Jury-Treffen diskutieren sie über die Bücher, die sie seit dem letzten Treffen gelesen haben und erfüllen damit eine wichtige Funktion im Literaturbetrieb.

Denn der Lese-Geschmack der Jugend ist für Verlage und Veranstalter eine „Blackbox“, wie Hendrik Hellige sagt, der bei der Frankfurter Buchmesse für das Thema Jugendbuch zuständig ist: „Ab 13 tauchen alle ab.“ Eine Studie zur Mediennutzung Zwölf- bis 19-Jähriger von 2018 bestätigt das deutlich: „Knapp jedes zweite Mädchen, aber nur jeder dritte Junge greift in der Freizeit regelmäßig zum Buch.

Was mögen Teens, was nicht, was hätten sie gern, das sie auf dem deutschen Buchmarkt vielleicht nicht finden? Darauf, so Hellige, könnten Aktionen wie die JungeMedienJury Antworten geben. „Was habt Ihr gelesen?“, fragt Anel Hunnius, die die Gruppe betreut, zu Beginn des Treffens in der Frankfurter Stadtbücherei, „Was mochtet Ihr? Was nicht? Warum mochtet Ihr es?“ 17 Bücher lesen die 13 bis 16-Jährigen in sechs Monaten, die meisten sind ganz schön dick. Alleine füllen sie ausführliche Fragebögen aus, gemeinsam sprechen sie über ihre Leseerfahrungen.

Ziemlich begeistert sind gerade alle von „Thalamus“. In dem Thriller von Ursula Poznanski geht es um Hirnforschung. Und von „Alles. Nichts. Und ganz viel dazwischen.“ Bei Ava Reed geht es um Depression. Durchgefallen ist hingegen das Fantasy-Buch „Das Herz der Kämpferin“. Die Voten der Jury treffen mitten hinein in eine Debatte, was Jugendliteratur ist und was sie sein sollte.

Aids und Alkohol, Amok und Autismus – Jugendbücher seien heute zu „problemorientiert“, „Elendsliteratur“, ätzte die „Welt“. Die Jungs und Mädchen aus Frankfurt stören solche Themen nicht. „Besser als zu oberflächlich“, finden Jette und Linnea, „die Welt ist kein Bilderbuch“, sagt Karlson, „ich mag Bücher über Krankheiten und Weltuntergang“, gibt Vanessa zu.

Als Gast ist heute die Jugendbuchforscherin Anika Ullmann dabei. Sie diskutiert mit den Jury-Mitgliedern, was ein gutes Jugendbuch ausmacht. In einem sind sich die Wissenschaftlerin und die Jugendlichen schnell einig: Was keiner braucht, sind spezielle Bücher für Jungs und Mädchen, die krampfhaft versuchen, die Zielgruppe abzuholen. Die Mädchenversion der Detektivserie „???“, die als „!!!“ backen, schminken und shoppen fand bei den Jugendlichen keine Gnade.

Die Frage, was Jugendlichen lesen wollen, hat sich auch die Frankfurter Buchmesse gestellt. „Wie spricht man Jugendliche an?“, fragte sich Helliges Team und hörte sich bei 13- bis 18-Jährigen um. Eine Erkenntnis: Jugendliche wollen nicht als Kinder, nicht mal zusammen mit Kindern angesprochen werden. Labels wie „Kinder- und Jugendliteratur“ oder „Kids Stage“ funktionieren nicht. Daher gibt es auf der Messe in diesem Jahr zum ersten Mal eine Bühne und eine Veranstaltungsreihe speziell für die „new generation“.

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