Zum Tod des Fotografen Peter Lindbergh Der diskrete Charme der Zurückhaltung

pARIS · Er machte Claudia Schiffer und Cindy Crawford mit seinen Bildern zu Topmodels. Auch sonst hatte er in über 40 Jahren fast alle Großen vor seiner Linse. Nun ist der Fotograf Peter Lindbergh im Alter von 74 Jahren gestorben.

  Ein echter Supermodel-Lindbergh mit Naomi Campbell, Linda Evangelista, Tatjana Patitz, Christy Turlington und Cindy Crawford (v.l.).

Ein echter Supermodel-Lindbergh mit Naomi Campbell, Linda Evangelista, Tatjana Patitz, Christy Turlington und Cindy Crawford (v.l.).

Foto: Peter Lindbergh/StefanRappo/Peter Lindbergh/Stefan Rappo

Zwei Jahre ist es her, dass die Münchner Kunsthalle einen Überblick über das Werk des international bekannten Star-Fotografen Peter Lindbergh zeigte. Die Wände waren dafür eigens in schwarz und weiß getüncht, in jenen Farben also, die er bis zuletzt für seine Porträts und Aufnahmen bevorzugte. Damals präsentierte sich ein agiler, dem Leben zugewandter Mann, der nach wie vor gern zur Kamera griff und zwischen seinen Wohnsitzen Paris, Arles und New York pendelte. Lindbergh ist am Dienstag im Alter von 74 Jahren gestorben, seine Familie teilte die Nachricht am Mittwoch auf Instagram mit. Er hinterlasse „a big void“, ein großes Loch.

Geboren wurde Lindbergh 1944 im polnischen Lissa, das damals von den Deutschen besetzt war. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Duisburg, wo er eine Lehre als Schaufensterdekorateur machte. In den frühen 1960er-Jahren schrieb er sich schließlich an der Kunstakademie in Berlin ein. Vincent van Gogh war es, der ihn von Anfang an mit seinen Gemälden inspirierte. Später studierte Lindbergh freie Malerei an der Kunsthochschule in Krefeld. Doch ab 1971 wandte er sich dann der Fotografie zu und war zwei Jahre bei Hans Lux Assistent, bevor er 1973 sein eigenes Studie eröffnete.

Ob es sein frühes Gefühl für das Dekorative war, das ihn letztlich zu „dem“ Modelfotografen machte? Wer weiß es schon? Jedenfalls hatte er Linda Evangelista, Claudia Schiffer, Cindy Crawford vor der Linse – seine so zurückhaltend gestalteten Fotos in den 1990er Jahren machten sie zu Supermodels. Doch wer ihn auf die Modefotografie reduzierte, tat ihm unrecht. Lindbergh verstand sich auch als politischer Mensch: „Ein Fotograf ist jemand, der zwanzig, dreißig Jahre mit einer Haltung durchs Leben geht, die sich in seinem Werk, in seiner Arbeit widerspiegelt. Ansonsten ist man bloß ein Bildermacher.“

Der digitalen Fotografie hatte sich Lindbergh dabei längst geöffnet. Alles andere sei „Romantik“, wie er bei der Eröffnung seiner Retrospektive in München betonte. Selbst er nutzte privat schon mal sein Smartphone zum schnellen Knipsen. Nur zum Thema „Selfie“ war seine Meinung indes eindeutig: „Das Blödeste, was es gibt.“ Wenngleich er aus Spaß durchaus auch mal selbst eines produzierte.

Lindbergh drückte nicht nur auf den Auslöser: „Ich kann mir nicht vorstellen, ein Foto zu machen, ohne eine Geschichte zu erzählen“, lautete seine Devise. Im Zentrum seines Arbeitens stand stets der Mensch als Individuum wie als Teil der Gesellschaft. „Natürlich“ und „echt“ wollte er die Frauen, aber auch die Männer darstellen. „Wenn man Courage hat, man selbst zu sein, dann ist man schön.“ Deshalb hielt er auch nichts von der Bildbearbeitungssoftware Photoshop. Damit werde jeder Mensch letztlich „auf Null“ reduziert.

Bei ihm strahlten Modeschöpfer wie Armani, Lagerfeld oder Versace fast von allein. Seine Fotos schmückten die „Vogue“, „Vanity Fair“ oder „Numero“. Von einem solchen „Menschenfreund“ wollten dann eben auch Stars wir Richard Gere, Tina Turner, Madonna oder Pina Bausch in Szene gesetzt werden. Die ihm zur Freundin gewordene Tänzerin und Choreografin (1940-2009) begleitete er mit der Kamera ebenso wie andere Ballettformationen. Der Fokus lag dann nicht auf dem Gesicht, sondern auf der Körperhaltung oder der Muskelkraft.

 Peter Lindbergh vor zwei Jahren in seiner Ausstellung „Women on Street“ im NRW Forum in Düsseldorf.

Peter Lindbergh vor zwei Jahren in seiner Ausstellung „Women on Street“ im NRW Forum in Düsseldorf.

Foto: AP/Martin Meissner
 Ein klassisches Motiv: Modeschöpferin Jil Sander.

Ein klassisches Motiv: Modeschöpferin Jil Sander.

Foto: Peter Lindbergh
 Nicole Kidman im Pirelli-Kalender von 2017.

Nicole Kidman im Pirelli-Kalender von 2017.

Foto: dpa/Peter Lindbergh+SEP+Handout

Zuletzt holte Lindbergh einige prominente Frauen für die britische „Vogue“ vor der Kamera, die von Herzogin Meghan mitgestaltet wurde. Darunter waren unter anderen die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg oder Schauspielerin Jane Fonda. Wie es ihm denn selbst damit ginge, fotografiert zu werden, wollte ein Journalist von ihm wissen. Die Antwort kam prompt: Wenn bei öffentlichen Terminen mehrere TV-Kameras auf ihn gerichtet seien, mache es ihm nicht aus, sagte Lindbergh: „Aber es gibt nichts Schlimmeres, als wenn mich ein Mensch fotografiert.“ Das gelte übrigens auch für das Passfoto.

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