Filmfestival: „Wo ist der Sachverstand?“

Saarbrücken · Massive Kritik am Umgang der Saarbrücker Politik mit dem Festival von Hans W. Geißendörfer und Ex-Ophüls-Leiter Boris Penth

 Die kritischen „Freunde des Festivals“ von links: Hotelier und Sponsor Gerd Leidinger, der ehemalige Ophüls-Leiter Boris Penth (2002-2005) und der Filmemacher Hans W. Geißendörfer. Foto: Oliver Dietze

Die kritischen „Freunde des Festivals“ von links: Hotelier und Sponsor Gerd Leidinger, der ehemalige Ophüls-Leiter Boris Penth (2002-2005) und der Filmemacher Hans W. Geißendörfer. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Von Ignoranz der Lokalpolitik war die Rede, von Zumutungen, von mangelndem Sachverstand, von der Angst, das Festival könnte zur städtischen Veranstaltung schrumpfen - es war eine Pressekonferenz der erfreulich offenen Worte, hing zuletzt doch eine Wolke des Schweigens über dem Festival, das seine Leiterin verliert, ohne dass sie oder die Stadt Saarbrücken das erklären wollen oder können.

Filmemacher Boris Penth, zwischen 2002 und 2005 Leiter des Ophüls-Festivals, Regisseur Hans W. Geißendörfer (Ehrenpreisträger des Festivals 2015), und Gerd Leidinger, Kopf des Sponsorenclubs des Festivals, hatten am Freitagmittag zu einer Pressekonferenz geladen - nicht im Namen einer Partei, Institution oder auch des Ophüls-Teams, sondern "als Freunde des Festivals". Und als solche sehen sie mit Sorge, "wohin sich das Festival entwickeln könnte", sagte Penth.

Die bundesweite Bedeutung des Festivals betone die Lokalpolitik zwar gerne in Reden, nicht aber in einer notwendigen Tat: mehr finanzielle Unterstützung. Ein seit 13 Jahren stabiler Festival-Etat (um eine Million Euro) bedeute durch Inflation und steigende Kosten nichts anderes als "eine Verknappung des Budgets von mindestens 20 Prozent". Für Penth kommt das Festival nur noch über die Runden, weil viele der Mitarbeiter und Praktikanten "auf schäbigem materiellen Niveau" bezahlt würden.



Verwunderlich sei auch, dass die erfolgreiche Leiterin Gabriella Bandel, die das Festival gerne weitergeführt hätte, esdennoch verließ. Penth: "Welche Zumutungen sind von städtischen Politikern an sie herangetragen worden?" Jeder in der Filmbranche sei überrascht vom Abschied gewesen, "vielleicht war Bandel finanziell widerständig", spekuliert Penth. "Hier aber die volle Wahrheit zu sagen, scheut sich die Stadt." Dass eine Nachfolge Bandels schon Ende Februar verkündet werden soll, schließe eine bundesweite Ausschreibung der Stelle aus; die habe es nach seinem Abschied aber gegeben, er sei auch in die Auswahl seiner Nachfolge einbezogen worden, anders als jetzt Bandel. Ebenso kritisch sieht Penth, dass über die neue Leitung der Ophüls-Aufsichtsrat entscheide und kein Fachgremium: "Niemand im Aufsichtsrat und auch nicht die Oberbürgermeisterin können von sich behaupten, die Filmkultur und die Branche gut zu kennen." Ohne Ausschreibung und ohne Entscheidung durch ein Fachgremium drohe ein "innerstädtisches Auskungeln. Wo ist der Sachverstand?"

Gerd Leidinger sprach über die Probleme des Festivals aus Sicht der Sponsoren, die sich beim Abschied Bandels von der Stadt im Unklaren gelassen fühlten: "Man will das Geld der Sponsoren, sie aber nicht informieren. Sponsoren gewinnt man aber nur, wenn sie Vertrauen in die Organisation haben." Die lokale Politik verstehe nicht, dass das Festival "die einzige Veranstaltung im Saarland ist, die überregional wahrgenommen wird. Es gibt sonst nichts", sagte Leidinger, der dabei allerdings die Musikfestspiele Saar außer Acht ließ. Jetzt fürchteten viele, dass Ophüls "zur städtischen Veranstaltung" werde.

Regisseur, Produzent und "Lindenstraße"-Vater Hans W. Geißendörfer erzählte von seinem Versuch, bei der Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) für das Verbleiben von Bandel zu werben. "Keine 15 Minuten" habe der Termin gedauert, auf den er ein halbes Jahr gewartet habe; Geißendörfer fühlte sich "rausgeekelt" und später nicht schlauer als vorher, was den Abschied Bandels angeht. "Der Wechsel wurde nicht erklärt", am Rande sei es "um ein missglücktes Gespräch in einer Tiefgarage gegangen". Er habe danach Freunde aus der Branche gebeten, Briefe des Protests oder des Angebots von Unterstützung an die Oberbürgermeisterin und an die Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu schreiben - Briefe, deren Eingang in die Staatskanzlei diese übrigens am Montag auf SZ-Nachfrage noch dementierte, gestern dann bei zweiter Nachfrage bestätigte.

Eine Reaktion auf die Briefe: Kulturdezernent und Ophüls-Geschäftsführer Thomas Brück (Grüne) hat laut Geißendörfer am vergangenen Montag einen Gesprächstermin für den 17. Februar mit dem sechsköpfigen Fachbeirat der "Saarland Medien" in Aussicht gestellt - ihm gehören Boris Penth und fünf Filmproduzenten an. Ob dann die geforderte Ausschreibung beschlossen wird, ist unwahrscheinlich: Thomas Brück, der im SR gerade Gerüchte über eine einjährige Pause des Festivals als "Unfug" dementierte, teilte gestern auf Nachfrage mit: "Wir haben uns im Vorfeld mit Kennern aus der Filmbranche beraten, wie wir die Besetzung der Festivalleitung angehen." Die Empfehlung: "Es macht keinen Sinn, die Leitung eines solches Festivals per Ausschreibung zu suchen. Dem ist auch der Aufsichtsrat einstimmig gefolgt." Verwunderlich, hatte die Stadt Saarbrücken nach Boris Penths Abschied die Leiterstelle doch ausgeschrieben.

Brück weiter: "Wir haben gute Kontakte in die Filmbranche und haben bereits mehrere Gespräche mit potentiellen Festivalleitungen geführt", weitere Gespräche stünden an. "Letztlich wird der Aufsichtsrat mit der Expertise eines Fachbeirats die Entscheidung über die künftige Festivalleitung treffen." Dieser Fachbeirat ist nicht der Beirat der "Saarland Medien". Er setze sich anders zusammen, hieß es gestern auf Nachfrage aus der Pressestelle, "Genaueres kann man dazu noch nicht sagen". Es bleibt weiter ärgerlich nebulös.

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