Berlinale Eine neue Ära für die Berlinale?

Berlin · Jubiläum für die Berlinale: Am Donnerstag beginnt der 70. Jahrgang des Filmfestivals – es ist auch das Debüt eines neuen Leitungs-Duos.

  Nina Hoss und Lars Eidinger im Wettbewerbsfilm „Schwesterlein“, der in der Theaterszene spielt.

Nina Hoss und Lars Eidinger im Wettbewerbsfilm „Schwesterlein“, der in der Theaterszene spielt.

Foto: dpa/-

„Eher die dunklen Farben überwiegen“ im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale, wie es der neue künstlerische Leiter Carlo Chatrian sagte. Zugleich fiel schon vor der 70. Ausgabe ein Schatten auf das Filmfestival selbst. Ausgerechnet im ersten Jahr nach der Ära des langjährigen Direktors Dieter Kosslick gerieten die Anfänge der Berlinale ins Licht der Gegenwart: Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hatte just zur Vorstellung der Wettbewerbsbeiträge im Januar ihre Recherchen über die nicht unbedeutende Rolle des späteren Berlinale-Gründungsleiters Alfred Bauer in der NS-Filmpolitik veröffentlicht. Der Italiener Chatrian und die ebenfalls neue niederländische Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek reagierten prompt und setzten den nach Bauer benannten Preis aus. Sie wollen die Festivalgeschichte zudem wissenschaftlich aufarbeiten.

Dessen ungeachtet eröffnet der in der Literatur-Szene spielende Film „My Salinger Year“ mit Sigourney Weaver am Donnerstag die Berlinale. Bis zum 1. März sind 340 Produktionen zu sehen. Davon konkurrieren 18 Beiträge um den Goldenen und die Silbernen Bären. Die Wettbewerbsjury leitet der Schauspieler Jeremy Irons („Das Geisterhaus“); für ihr Lebenswerk wird die Kollegin Helen Mirren („Die Queen“) geehrt.

Berlin steht diesmal auch auf der Leinwand im Fokus: Die drei deutschsprachigen Wettbewerbsbeiträge spielen in der Festival-Heimat. Mit Spannung erwartet wird „Berlin Alexanderplatz“ von Burhan Qurbani. Die Neuinterpretation des Stoffs von Alfred Döblin macht dessen Hauptfigur Franz Biberkopf zum dunkelhäutigen „Francis“ und Berlin zur Stadt seines Exils. Erneut im Wettbewerb zu sehen ist das Trio aus Regisseur Christian Petzold und seinen Hauptdarstellern Paula Beer und Franz Rogowski. 2018 waren sie mit „Transit“ im Rennen um die Bären; ihr neuer Film „Undine“ dreht sich um die Liebe, die Geschichte Berlins, das Wasser der Stadt und die gleichnamige Mythenfigur. Der Schweizer Beitrag „Schwesterlein“ von Stephanie Chuat und Veronique Reymond mit Nina Hoss und Lars Eidinger spielt in der Berliner Theaterszene.

Dass Dunkles den Wettbewerb prägt, begründete Chatrian im Vorfeld damit, dass die Beiträge „eher illusionslos auf die Gegenwart blicken – nicht weil sie Schrecken verbreiten, sondern weil sie uns die Augen öffnen wollen“. Die Festivalmacher hoffen indes darauf, dass der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof seinen Film „There Is No Evil“ über die Todesstrafe persönlich vorstellen kann. Die Bären werden bei einer Gala am 29. Februar vergeben. Wer nach internationalen Stars Ausschau hält, kommt auf der Berlinale nicht zu kurz. Für den Wettbewerbsfilm „The Roads Not Taken“ von Sally Potter standen Javier Bardem, Elle Fanning und Salma Hayek vor der Kamera, für „Siberia“ von Abel Ferrara war es Willem Dafoe.

Den Hauptwettbewerb hat der neue Leiter Chatrian entschlackt: Mit weiteren Stars gespickte Filme laufen – wie der Eröffnungsfilm oder „Pinocchio“ mit Roberto Benigni und „Minamata“ mit Johnny Depp – außer Konkurrenz im Bereich Berlinale Special. Dort werden auch die Doku-Serie „Hillary“ über Hillary Clinton und die Cate-Blanchett-Serie „Stateless“ gezeigt.

Als weiteren neuen Akzent ruft Chatrian mit der Sektion Encounters neben Haupt- und Kurzfilmwettbewerb einen Wettbewerb für Filme mit „ungeahnten Ideen, Visionen und Erzählweisen“ ins Leben. Zwar wird es dafür keine Bären geben, aber Auszeichnungen für den besten Film und die beste Regie sowie einen Spezialpreis einer dreiköpfigen Jury.

In den letzten Jahren des Festivalleiters Dieter Kosslick, der die Berlinale von 2001 bis 2019 verantwortete, erschien der Wettbewerb ziemlich beliebig und hat unter Journalisten einige Kritik hervorgerufen. Die Erwartungen an das neue Leitungs-Duo sind also hoch.

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