Neu auf DVD: „Cold Skin“ Wer ist hier das Monstrum?

Saarbrücken · Der Film „Cold Skin“ erzählt eine ungewöhnliche Geschichte um eine einsame Insel, einsame Männer – und Amphibienwesen. Die Romanverfilmung von „Im Rausch der Stille“ erscheint jetzt aufs DVD fürs Heimkino.  

 Das Amphibienwesen (Auro Garrido), das sich der leuchtturmwärter als Diener hält – und als Lustobjekt.

Das Amphibienwesen (Auro Garrido), das sich der leuchtturmwärter als Diener hält – und als Lustobjekt.

Schon die erste Nacht bringt das blanke Entsetzen. Bizarre Kreaturen aus dem Meer dringen in die Hütte des neuen Wetterbeobachters ein, er überlebt gerade so im Kellerraum – und in der nächsten Nacht wird er seine Hütte verlieren. Zuflucht bietet ihm nun, höchst widerwillig, der einzige andere menschliche Bewohner dieser einsamen Insel: Leuchtturmwärter Gruner, versoffen,  heruntergekommen, wortkarg.

So beginnt der französisch-spanische Film „Cold Skin“, der grob auf dem Roman „Im Rausch der Stille“ (2002) von Albert Sanchez Pinol beruht. Anfang des 20. Jahrhunderts spielt der Film, der Erste Weltkrieg hat noch nicht begonnen. Der französische Regisseur Xavier Gens schwelgt anfangs in einer gewissen Nostalgie, mit Bildern eines altertümlichen Schiffes, das den Wetterbeobachter namens Friend an der Insel absetzt, eines verwitterten Leuchtturms, und mit einem Kommentar von Friend aus dem Off wie in einem Tagebuch – ihn erinnert etwa die Art, wie der Kapitän ihn an die vom Meer umstürmte Insel absetzt, an „die Höflichkeit eines Henkers“. Das Unheil hängt also tief über diesem Eiland wie die Wolken.

Als Friend (David Oakes) die zweite Nacht überlebt und bei dem mürrischen Leuchtturmwärter (Ray Stevenson) unterkommt, weiß er bald, was hier vorgeht: Jede Nacht tauchen Horden von Amphibienwesen aus dem Meer auf und versuchen, die Menschen zu töten. (Friend glaubt auch schnell nicht mehr die Behauptung, sein Vorgänger auf der Insel sei an Typhus gestorben). Derweil hält sich Gruner eine dieser Kreaturen als eine Art Haustier – und als Lustobjekt. Während der das Wesen schroff behandelt und immer wieder gezielt demütigt, beginnt Friend mit dem weiblichen Amphibienwesen eine zögerliche Annäherung und Freundschaft.

Zumindest das lässt vage an den oscarprämierten Film „Das Flüstern des Wassers“ denken; aber wo dessen Regisseur Guillermo del Toro etwas gefühlsduselig, mit einer Mischung aus Hoffnung und Naivität, die Liebe alles möglich machen lässt, unterläuft Gens solche Erwartungen: Nicht jede Hürde lässt sich durch Zuneigung überwinden, zumal der Kreatur Mensch nicht ganz zu trauen ist. Es gibt durchaus eine Annäherung, aber Erfüllung und Friede sind weit entfernt.

Davon erzählt der Film in atmosphärischen Bildern – die Insel ist selbst eine Figur, das Meer umtost sie, die Jahreszeiten ziehen über sie weg, sie ist ein Ort der schroffen Schönheit, aber ohne Trost. Da gelingen Gens und seinem famosen Kameramann Daniel Aranyó wunderbare Bilder und elegische Momente, während der Regisseur bei den nächtlichen Szenen daran erinnert, dass sein Debüt der harte französische Horrorfilm „Frontiers“ ist: Wenn die Wesen hordenweise den Leuchtturm emporklettern und oben erschlagen oder erschossen werden, ist das rasant und blutig erzählt – bevor die Szenen am Tage wieder ruhiger werden und melancholisch.

Damit setzt sich der Film bewusst zwischen die Stühle: Für klassische Arthouse-Zuschauer dürfte er zu blutig sein, für Horrorfans zwischendurch zu ruhig. Umso mutiger, diesen Film so anzulegen: irgendwo zwischen zeitgemäßem Horror und einer nostalgischen Schauermär voller dunkler Romantik, Melancholie und Skepsis gegenüber der menschlichen Natur.

DVD und Blu-ray: Tiberius Film. Die Romanvorlage „Im Rausch der Stille“ ist bei S. Fischer erschienen.

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