Festspiele mit „Walküre“ Schwungvoll platscht die Farbe in Bayreuth

Bayreuth · Die „Walküre“ in Bayreuth ist vor allem bunt. Die konzertante Aufführung von Wagners Oper lässt allerdings viel vermissen.

 Aktionskünstler Hermann Nitsch lässt seine Malassistenten zur Musik der „Walküre“ Farbe verschütten.

Aktionskünstler Hermann Nitsch lässt seine Malassistenten zur Musik der „Walküre“ Farbe verschütten.

Foto: dpa/Enrico Nawrath

Man würde zu gerne davon berichten, dass Pietari Inkinen, der seit 2017 unter anderem der Chefdirigent der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken-Kaiserlautern ist, mit Bravour sein Bayreuth-Debüt absolviert hat. Schon weil er im nächsten Sommer für den dann nachgeholten kompletten neuen Ring in der Inszenierung von Valentin Schwarz die musikalische Hauptverantwortung trägt. Beim Bayreuther Vorgänger-Ring war zwar die Regie von Frank Castorf Anlass für lebendige Diskussion, die Maßstäbe, die Kiril Petrenko im Graben setzte, aber nicht. Bildlich gesprochen stehen sie da noch. Im günstigsten Fall war dieser Abend eine Art Generalprobe für den Ring unter Premierenbedingungen. Man kann nur hoffen, dass der Theateraberglaube stimmt, dass es ein gutes Zeichen für die Premiere (im kommenden Jahr) ist, wenn bei der Generalprobe etwas nicht so klappt, wie man es sich erhofft. Und dass Christian Thielemann – mit oder auch ohne bereits unterschriebener Vertragsverlängerung als faktischer Musikdirektor der Festspiele – hier seine Erfahrungen einbringt. Und der Haus-Debütant darauf hört. Vielleicht kommt dann noch die Spannung, vor allem das Tempo und die Kontur zustande, die in diesem ersten Anlauf noch fehlten.

Aktuell mussten sich die Protagonisten nicht auf eine „richtige“ Inszenierung einlassen, sondern nur mit einer XXL-Malaktion arrangieren, die Blut-Aktionskünstler Hermann Nitsch von zehn Assistenten live auf der Bühne ausführen ließ. Mit einem mehr oder weniger engen Bezug zur Musik. Drei Mal werden über die Länge eines Aufzuges ein riesiges aufgestelltes Triptychon und die waagerechte Fläche dazwischen eingefärbt. In der Senkrechten laufen die Farben von oben herab. Auf dem Boden werden sie mit Schwung verschüttet. Am Beginn ist alles weiß, am Aktende alles bunt. Zwischendurch jede Menge Farbspiele. Dabei kommt so eine Art Strichcode-Abstraktion in Fluss heraus. Zum finalen Feuerzauber dominiert das Nitschsche blutrot. Auch davor kann man sich den einen oder anderen Zusammenhang zwischen dem „Walküre“-Soundtrack und der Kunstaktion denken. Man kann es aber auch lassen. Nitschs Bodenpersonal platschte vor allem in die Piano-Stellen mit Lust eine neue Ladung Farbe auf den Boden und hörbar zwischen die Musik. Die Idee war gut, das Ergebnis eher so „na ja“. Für sich genommen war es schön und bunt. Weiterführend und sinnstiftend eher nicht.

Da Günter Groissböck in diesem Jahr nach der Generalprobe (!) den Ich-bin-noch-nicht-so-weit-Künstler gegeben und geschmissen hatte, war Thomasz Konieczny der Einspringer-Wotan. Und machte das mit edler Stimmgewalt gut. Die zweite hörbar kraftvoll gesunde und vor allem junge Stimme war aber (leider) nicht die Brünnhilde von Iréne Theorin, sondern der neue Stern am Wagnerhimmel aus dem Norden Lise Davidsen als Sieglinde. Klaus Florian Vogt wirkte als Siegmund ein Stück weit gereifter als sein sonstiges Strahlemann-Image. Der Hunding von Dmitry Belosselskiy war eine sichere Bank, auch die Fricka von Christa Mayer. Sie war auch eine der Walküren, die bei ihrem berühmten Ritt zwar in Reih und Glied an der Rampe standen, aber leider nicht so klangen.

Diese konzertante „Walküre“ in Farbe gehörte zum Projekt „Ring 20.21“, mit dem Hügelchefin Katharina Wagner die Hoffnung auf die Neuinszenierung der Tetralogie wachhalten und Appetit machen wollte. Das „Rheingold“ ist mit der einstündigen Uraufführung von „Immer noch Loge“ vertreten. Am und im Teich vor dem Festspielhaus wird dem Feuergott der Prozess gemacht. Mit Puppen von Nikolaus Habjan zur Musik von Gorden Kampe und einem Text von Paulus Hochgatterer. Eigenständig und doch mit vielen Déjà-vu-Momenten für Wagnerianer. Auf der gegenüberliegenden Parkseite erinnert die Installation „The Thread of Fate“ von Chiharu Shiota an die „Götterdämmerung“. Anstelle des kompletten „Siegfried“ konnte man mit einer 3D-Brille minutenlang in Jay Scheibs Kreation „Sei Siegfried“ selbst einen atemberaubenden Drachenkampf im Festspielhaus durchleben.

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